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Israel-Fanclub in der LINKEN will "Antizionisten das Handwerk legen"
Der Streit um die „Israel-Solidarität“ entwickelt sich zum Spaltpilz in der Partei DIE LINKE. Am 13. Juni hat der BundessprecherInnenrat der Linksjugend[solid] den Bundesarbeitskreis Shalom aufgefordert, seine Öffentlichkeitsarbeit einzustellen. Zugleich wurde dem BAK Shalom vorgeworfen, die ihm zur Verfügung gestellten Finanzmittel „satzungswidrig“ verwendet zu haben. Der Arbeitskreis wurde aufgefordert, dieses Geld zurück zu erstatten.
Seither versucht der BAK Shalom, unter Berufung auf den innerorganisatorischen „Pluralismus“ Unterstützung zu mobilisieren. Die Israel-Fans haben dabei offenbar Erfolge zu verzeichnen. Unter anderem hat am 22. Juni der Hamburger Landesverband der Linksjugend das Vorgehen des BundessprecherInnenrates in einer einstimmig angenommenen Resolution verurteilt. In der Stellungnahme heißt es: „Auch in Hamburg gibt es keinen politischen Konsens zu den Ansichten des BAK Shaloms. Aufgabe eines demokratischen Jugendverbandes ist es jedoch, politischen Differenzen auch politisch zu begegnen und sie gemeinsam zu diskutieren. Ohne solche Diskussion würde berechtigter Weise der Eindruck entstehen, dass Minderheitsmeinungen in unserem Jugendverband mit bürokratischen Mitteln unterdrückt werden.“
Der inhaltslose Begriff „Minderheitsmeinungen“ lässt die Frage offen, wo die Grenzen zur offensichtlichen Verhöhnung wesentlicher Grundsätze der LINKEN und ihres Jugendverbandes liegen. Man würde den BAK Shalom völlig missverstehen, wenn man ihm zugute halten würde, dass er lediglich für eine differenziertere Bewertung des Staates Israel streitet. Tatsächlich ist der Arbeitskreis, wie er zuletzt mit seiner Kampagne „60 Jahre Israel – Ein ganzer Monat Feierei!“ deutlich gemacht hat, eine Fan-Gemeinde Israels und ganz besonders seiner Streitkräfte. Neben fortwährenden Bekundungen von „Sympathie und Solidarität“ bei israelischer Musik brachte der BAK Shalom vier Aufkleber in Umlauf, auf denen Israel als „Ein Stück Freiheit im Nahen Osten“ bejubelt wurde. Auf zweien waren israelische Soldatinnen und Soldaten zu sehen. Natürlich, denn für den BAK Shalom schließt die unreflektiert zur Schau gestellte Israel-Begeisterung auch die „Solidarität mit Verteidigungsmaßnahmen aller Art“ ein. „Aller Art“, so steht es in der Grundsatzerklärung des Arbeitskreises. „Wir stehen uneingeschränkt hinter dem Verteidigungsrecht des emanzipatorischen Staates Israel“, heißt es in einer Pressemitteilung vom 30. April.
Emanzipatorisch? Ein Staat, der auf der institutionalisierten Ungleichbehandlung seiner Bürger je nach ihrer Gruppenzugehörigkeit als „Juden“ oder „Araber“ aufbaut? Der einzige Staat der Welt, der seit über 40 Jahren Territorium besetzt hält, das er mit militärischer Gewalt erobert hat und das er sich seither Zug um Zug anzueignen versucht? Ein Staat, in dem ganz offen über den „Transfer“, das heißt die Vertreibung, nicht nur der Palästinenser aus den besetzten Gebieten, sondern auch gleich noch der „eigenen“ arabischen Bürger, diskutiert wird?
Welche „Minderheitsmeinungen“ werden als nächste Anspruch auf Toleranz und Handlungsfreiheit innerhalb der LINKEN erheben? Der Bundesarbeitskreis „Bombt Iran!“ oder der Freundeskreis der Bundeswehr?
Mit Atombomben gegen Iran?
Die Gründung des BAK Shalom als „Plattform gegen Antisemitismus, Antizionismus, Antiamerikanismus und regressiven Antikapitalismus“ wurde am 21. Mai vorigen Jahres bekannt gegeben. Unter den rund 30 öffentlich genannten Gründungsmitgliedern waren Benjamin Krüger (wissenschaftlicher Mitarbeiter des Bundestagsabgeordneten Bodo Ramelow) und mehrere weitere Mitarbeiter von Abgeordneten der Bundestagsfraktion DIE LINKE. Ferner der sächsische Bundestagsabgeordnete Michael Leutert, menschenrechtspolitischer Sprecher der Fraktion, und Sebastian Beining, Vorsitzender der saarländischen Linksjugend. Zentren der prozionistischen Fraktionsbildung sind Sachsen, Berlin und Brandenburg.
Den BAK Shalom lediglich als marginale, zahlenmäßig kleine und einflusslose Gruppe von verspielten Exzentrikern und Sektierern zu betrachten, würden die Situation verkennen. Zumal, da sich die Fraktion nach außen erkennbar des Schutzes und der Unterstützung durch die Abgeordnete Petra Pau, Vizepräsidentin des Bundestages, erfreut. Als große Ermutigung wird vom BAK Shalom die Rede von Gregor Gysi herausgestellt, die dieser am 14. April auf einer Tagung der Rosa-Luxemburg-Stiftung gehalten hat. Der Abgeordnete, der gemeinsam mit Oskar Lafontaine die Bundestagsfraktion DIE LINKE leitet, hatte dort zur „Solidarität mit Israel“ aufgerufen, Kritik am Zionismus zurückgewiesen und den Antiimperialismus als nicht mehr zeitgemäße Ideologie verurteilt. Lieblingsfeinde des BAK Shalom, die als „untragbar“ aus der Partei gemobbt werden sollen, sind Oskar Lafontaine sowie die Bundestagsabgeordneten Norman Paech und Wolfgang Gehrcke.
Die uneingeschränkte „Solidarität mit Israel“ schließt für den Arbeitskreis auch eine Beteiligung an der kriegsvorbereitenden Hetze gegen den Iran ein. „Wir verurteilen das Schweigen eines großen Teiles der Linken zur Bedrohung Israels durch den Iran“, heißt es in der Grundsatzerklärung des BAK Shalom. Dass es zwar schon zahlreiche Kriegsdrohungen israelischer Politiker gegen Iran gegeben hat, aber nie eine iranische Drohung gegen Israel, wird anscheinend nicht wahrgenommen. Der BAK Shalom schreckt auch vor der Zusammenarbeit mit den „Scholars for Peace in the Middle East“ (SPME) nicht zurück, mit denen er am Wochenende eine gemeinsame Veranstaltung in Berlin durchführen will. Die SPME waren Anfang Mai an einer kriegerisch gestimmten Anti-Iran-Konferenz beteiligt, auf der ganz unbefangen der Einsatz von Atombomben gegen Iran diskutiert wurde.
Sprengsatz in der Partei
Der BAK Shalom versteht sich als Sprengsatz in der LINKEN. Falls das nicht anhand ihrer Vorgehensweise ohnehin schon klar war, hat es der stellvertretende Bundessprecher Henning Wötzel-Herber in einem Interview mit der „antideutschen“ Zeitschrift Konkret (6/2008) offen ausgesprochen: Die Mehrheit in der Partei sei „wohl eher propalästinensisch, aber es ist eine schweigende Mehrheit. Wir versuchen, sie zu reizen, die Verhältnisse klar zu machen und den antizionistischen Konsens zu brechen.“
Auf die Nachfrage der Konkret-Journalisten: „Wird Paech, Gehrke und den anderen Antizionisten jetzt das Handwerk gelegt?“, antwortete Wötzel-Herber: „Wir müssen daran arbeiten, aber es ist nicht so einfach.“ Auch Oskar Lafontaine müsse langfristig abgeschossen werden, aber „ich befürchte, dass es in naher Zukunft nicht gelingen wird, Lafontaine aus der Parteispitze wegzudrängen“.
Exemplarisch für die Taktik des BAK Shalom ist derzeit seine Kampagne gegen den Bundestagsabgeordneten der LINKEN Norman Paech. Nachdem dieser am 23. April auf einer Veranstaltung in Berlin-Neuköln gesprochen hatte, richtete Shalom-Bundessprecher Benjamin Krüger zwei Tage später einen Brief an Gregor Gysi, in dem er klagte: „Auf dieser Veranstaltung wurden – neben heftiger Kritik an der Bundestagsfraktion die LINKE und explizit Deiner Person – nicht nur antizionistische, sondern auch klare antisemitische Äußerungen von Herrn Paech und anderen Gästen der Veranstaltung geäußert.“ – Unter Hinweis auf weitere geplante Veranstaltungen mit Norman Paech wurde Gysi aufgefordert, „mit Mut gegen solche nicht akzeptablen Veranstaltungen und Äußerungen vorzugehen“.
Ob und wie Gysi darauf reagiert hat, ist nicht bekannt. Am 30. April forderte der BAK Shalom in einer von den bürgerlichen Medien stark beachteten Pressemitteilung die Absetzung Paechs als Außenpolitischer Sprecher der Bundestagsfraktion. Dem Abgeordneten wurde neben „antizionistischen Ressentiments“ auch „eine ungehemmte Verbrüderung mit der terroristischen Hamas" vorgeworfen. Dieser Angriff bezieht sich darauf, dass Paech neben einer eindeutigen Abgrenzung von Hamas auch dafür plädiert hatte, sie in den Friedensprozess einzubeziehen. Damit sei Paech für die LINKE „untragbar geworden“.
Inzwischen spielen die Sprecher des BAK Shalom verfolgte Unschuld: In einem Brief vom 10. Juni an Norman Paech schreiben sie: „Wir haben zu keiner Zeit behauptet, Du hättest antisemitische Aussagen getätigt (...) Wir wissen daher nicht, warum Du die Behauptung aufstellst, wir hätten Dich als Antisemiten bezeichnet.“ – Norman Paech, so erfährt man nun, ist der Spielverderber, der sich angeblich einem vom Arbeitskreis gewünschten „kritischen Dialog“ verweigert.
In einem Schreiben vom 16. Juli an den Autor dieses Artikels bezeichnen die Sprecher des BAK Shalom den Antisemitismus-Vorwurf im Brief an Gysi als „missverständlich formuliert“. „Vielmehr sollte damit ausgedrückt werden, dass wir es sehr bedauern und kritisieren, das vom Referenten der Veranstaltung (Norman Paech) die antisemitischen Äußerungen der weiteren Teilnehmer der Veranstaltung in keiner Weise kritisiert oder unterbunden wurden. (...) An der Aussage, dass Herr Paech antizionistische Aussagen auf der Veranstaltung getätigt hat halten wir aber weiterhin aufrecht.“ – Da dem Arbeitskreis jedoch „Antizionismus“ als moderne Form des Antisemitismus gilt, bleibt der Sinn dieser vermeintlichen Richtigstellung unverständlich.
Die Vorwürfe gegen Norman Paech wurden vom Hamburger Landesvorstand der LINKEN und vom Arbeitskreis Internationale Politik der Bundestagsfraktion zurückgewiesen. „Unter anderem“ muss man wohl hinzufügen, da der größte Teil der innerparteilichen Kommunikation vor der Öffentlichkeit verborgen bleibt.
In der Hamburger Stellungnahme vom 19. Juni heißt es: „Die an Norman Paech gerichtete Rücktrittsforderung ist haltlos. Wir fordern BAK Shalom auf, diese Forderung zurückzunehmen und sich von den Unterstellungen, die Norman Paech in eine antisemitische Ecke drängen sollen, zu distanzieren.“ – Man betrachte die Gründung einer Hamburger Filiale des BAK Shalom angesichts der bisherigen Erklärungen aus diesem Kreis „mit Skepsis“, hoffe aber dennoch, dass der Arbeitskreis „sich konstruktiv in den Jugendverband und die Partei einbringen wird“.
Der AK Internationale Politik der Fraktion erklärte am 24. Juni u.a.: „In Anbetracht der Formen, die diese Auseinandersetzung angenommen hat, erwarten wir (...) vom BAK Shalom, dass er eine solche Diskussion offen, direkt und mit sachbezogenen Argumenten führt. Eine solche Diskussion schließt die bisherigen Methoden der BAK Shalom-Mitglieder wie denunziatorische und beleidigende Äußerungen in den Medien sowie bewusste Tatsachenverdrehung und Verbreitung von Unwahrheiten aus. Die Mitglied des AK IV Internationale Politik verwahren sich gegen die gegen Norman Paech, Oskar Lafontaine und Wolfgang Gehrcke gerichteten Verleumdungen. Wir fordern den BAK Shalom auf, die Rücktrittsforderung an Norman Paech als Außenpolitischer Sprecher öffentlich zurückzunehmen. Ferner fordern wir den BAK Shalom auf, sich öffentlich von den Antisemitismusvorwürfen gegen Norman Paech zu distanzieren und die in Umlauf gebrachten Unwahrheiten ebenfalls öffentlich zurückzunehmen.“
Erstaunlich ist in diesem Zusammenhang das Verhalten maßgeblicher Vertreter der LINKEN. Der vom BAK Shalom direkt in den Streit hineingezogene Gregor Gysi, auf dessen Aufforderung zur „Israel-Solidarität“ sich BAK ständig und allerorten beruft, schweigt anscheinend. Die Vizepräsidentin des Bundestags, Petra Pau, hatte kein Problem, am 5. Mai, auf dem Höhepunkt der Kampagne gegen Paech, auf einer Jubelveranstaltung des BAK Shalom für Israel aufzutreten. Und der stellvertretende Fraktionsvorsitzende im Bundestag, Bodo Ramelow, wettert intern gegen Norman Paech.
Nicht gerade ein konstruktives Arbeits- und Diskussionsklima.
Knut Mellenthin
Erweiterte Fassung eines am 18. Juli 2008 in der Jungen Welt erschienenen Artikels
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