KNUT MELLENTHIN

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Neocons wollen Bush unter Druck setzen

Nach massiven Drohungen gegen Syrien und Iran scheint die US-Regierung nun leicht zurück zu rudern. Präsident Bush erklärte, er habe derzeit keine konkreten militärischen Pläne. Er fügte hinzu, es gebe "positive Zeichen", dass Syrien sich dem amerikanischen Druck beugt, keine Flüchtlinge aus dem Irak aufzunehmen.

Die neuen Äußerungen deuten keineswegs darauf hin, dass die US-Regierung ihre Erpressungen gegen Syrien und Irak sowie ihre langfristige Strategie des "Regimewechsels" im ganzen Nahen und Mittleren Osten aufgeben will. Sie tragen aber der Tatsache Rechnung, dass nach der jüngsten Gallup-Umfrage nur jeder vierte Amerikaner in Stimmung ist, dem Irak-Krieg gleich den nächsten Waffengang folgen zu lassen.

Als Reaktion darauf, dass die Dinge derzeit nicht ganz nach ihren Wünschen und ihrem Zeitplan verlaufen, haben einige amerikanische Neokonservative eine heftige Kampagne gegen das Außenministerium eröffnet, die letztlich darauf abzielt, den Präsidenten unter Druck zu setzen.

Michael Ledeen, Veteran der Iran-Contra-Affäre, langjähriger Geheimdienstmann, seit Monaten lautstärkster Kriegshetzer gegen den Iran, schreibt in einem Beitrag auf der Webseite des den Republikanern und der Regierung nahestehenden American Enterprise Institute, AEI: "Wenn die USA auf lange Sicht daran gehen wollen, den Nahen Osten im Namen der demokratischen Revolution umzugestalten, dann ist es verrückt, diese Aufgabe einem Außenministerium anzuvertrauen, das an dieses Ziel nicht glaubt", sondern den gewaltsamen "Regimewechsel" im Irak eher verraten und sabotiert habe.

Ledeen kritisiert auch die Entscheidung des US-Kongresses, die Kontrolle der für den Wiederaufbau des Irak vorgesehenen Gelder in die Hand des State Department zu legen, statt sie dem Verteidigungsministerium zu überlassen. Ledeen spekuliert darauf, dass Bush gegen diese Entscheidung sein Veto einlegen wird. Damit hat er vermutlich Recht, da das Pentagon jetzt schon über mehr Finanzmittel für Großaufträge im Irak verfügt als das Außenministerium.

Ein weiterer Wortführer der neokonservativen Polemik gegen das State Department ist Newt Gingrich, der seit 1978 republikanisches Mitglied des Abgeordnetenhauses und seit 1995 auch dessen Sprecher war. Er musste im Januar 1999 nach einem Finanzskandal zurücktreten, hat aber die Hoffnung nicht aufgegeben, in die große Politik zurückzukehren, vielleicht sogar als Präsidentschaftskandidat.

Gingrich hielt vor wenigen Tagen eine Rede vorm AEI, in der verkündete, der "Umbau" des State Department sei "die nächste Herausforderung für die Bush-Regierung". Das Außenministerium habe sechs Monate lang nur Misserfolge produziert (gemeint ist die internationale Opposition gegen den Irak-Krieg), dann habe das Pentagon mit einem Monat militärischer Erfolge viel Boden wieder gut gemacht, und jetzt sei das State Department dabei, den Sieg zu verspielen.

Als Anzeichen dafür nennt Gingrich unter anderem die Ankündigung von Außenminister Powell, nach Damaskus zu reisen, und die Absicht, Frankreich, Russland und die UNO an den israelisch-palästinensischen Verhandlungen zu beteiligen. Gingrich wirft der gesamten Nahost-Abteilung des Außenministeriums vor, sie unterstütze Diktatoren und wolle eine schwache irakische Regierung einsetzen. Hintergrund ist, dass das State Department im Gegensatz zum Pentagon nicht voll auf die bedeutungslose "Oppositionsbewegung" INC und deren Führer Chalabi setzt.

Gingrich griff in seiner Rede auch die Agency for International Development (USAID) an, über die das Außenministerium eine Mitsprache beim "Wiederaufbau" des Irak hat, und verlangte deren Auflösung. Den Präsidenten forderte Gingrich auf, jetzt schleunigst die Führung beim "Umbau" des State Department zu übernehmen.

Als Reaktion auf die Angriffe der Neokonservativen machte der Sprecher des Weißen Hauses, Ari Fleischer, deutlich, dass Außenminister Powell in Allen von Gingrich kritisierten Punkten in Übereinstimmung mit dem Präsidenten handelt.

Knut Mellenthin

Neues Deutschland, 25. April 2003