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Dumm gelaufen: Propaganda-Abteilung des Pentagon aufgelöst
Eine Woche, nachdem die "New York Times" über Existenz und Aufgaben des Büros für Strategische Einflussnahme (OSI) im Pentagon berichtet hatte, gab Verteidigungsminister Rumsfeld die Auflösung der 15-köpfigen Abteilung bekannt. Rumsfeld bestritt zwar bis zuletzt die Darstellung der "New York Times", dass das OSI unter anderem auch gezielte Desinformation durch Falschmeldungen betreiben sollte. Es sei aber klar, sagte er am Dienstag in seiner täglichen Pressekonferenz, dass nach den kritischen Veröffentlichungen und Kommentaren der Medien an eine wirkungsvolle Arbeit des OSI nicht mehr zu denken wäre.
Zuvor hatte Präsident Bush durch seinen Sprecher Fleischer erklären lassen, er habe von der Existenz des OSI überhaupt erst durch die Presse erfahren. Ähnlich äußerte sich auch Rumsfeld. Er bestritt zwar nicht, dass er über die im November 2001 eingeleitete Bildung des OSI informiert war, behauptete aber, Papiere über Struktur und Aufgabenstellung der neuen Propaganda-Abteilung seien nicht auf seinen Schreibtisch gelangt.
Einiges spricht dafür, dass es sich bei diesen Äußerungen nicht einfach nur um das Abwälzen der Verantwortung nach dem peinlichen Platzen eines Versuchsballons handelt. Es ist bemerkenswert, dass offiziell nicht etwa Präsident Bush oder Rumsfeld die Auflösung des OSI angeordnet hat, sondern der unmittelbar für das neue Desinformations-Büro zuständige Unterstaatssekretär für Politik im Pentagon, Douglas Feith. Er wird der extrem aggressiven Seilschaft um den stellvertretenden Verteidigungsminister Paul Wolfowitz zugerechnet, die lieber heute als morgen den "Krieg gegen den Terror" zum Flächenbrand im ganzen Nahen und Mittleren Osten eskalieren lassen möchte.
Es liegt daher nahe, die Bildung des OSI als Versuch dieser Seilschaft zu sehen, sich ein eigenes Instrument für die politische und psychologische Kriegführung zu schaffen. Denn eigentlich besteht an solchen Abteilungen im Weißen Haus, im Pentagon, im Außenministerium und in der CIA durchaus kein Mangel. Und der Gedanke, es dabei mit der Wahrheit nicht immer genau zu nehmen, ist auch alles andere als neu.
Das Besondere am OSI war aber, dass es an den schon bestehenden Strukturen des Pentagon für die Öffentlichkeitsarbeit vorbei und in Konkurrenz zu diesen aufgebaut wurde. Und dies zudem mit Leuten, denen intern wohl zu Recht vorgeworfen wurde, sie seien für PR-Tätigkeit überhaupt nicht kompetent. So, wie der Leiter des OSI, Luftwaffen-General Worden, der bisher in der militärischen Weltraumforschung tätig war und sich für das neue Amt wohl vor allem dadurch empfahl, dass er schon seit der Regierungszeit Reagans über enge Beziehungen zu Unterstaatssekretär Feith verfügt.
Ihrerseits hatten die OSI-Leute, wie die "Washington Post" am Mittwoch berichtete, den etablierten Öffentlichkeitsarbeitern des Pentagon vorgeworfen, während des Bomben- und Raketenkriegs in Afghanistan versagt zu haben. Insbesondere sei es ihnen nicht gelungen, der Weltöffentlichkeit sowie den Moslems in Pakistan und im arabischen Raum die zahlreichen amerikanischen Fehlangriffe mit zivilen Opfern schmackhaft zu machen.
Die Veröffentlichung der "New York Times" in der vorigen Woche, die einen nahezu einmütigen Sturm der Medien-Kritik am OSI auslöste, beruhte auf Insider-Informationen aus dem Pentagon. Ausgangspunkt der politisch gezielten Indiskretionen waren offenbar die bisher im Pentagon für die Öffentlichkeitsarbeit Zuständigen. Diese Informanten legten auf dem Höhepunkt der Auseinandersetzung sogar noch nach, wie der Fernsehsender NBC am Dienstag meldete: Einige Vorschläge für die Tätigkeit des OSI seien sehr viel weiter gegangen als bis dahin berichtet wurde. Es sei eine Kampagne mit Lügen, Druck und "Einflussnahme" auch in den USA selbst geplant gewesen. Medien, die nicht der "Pentagon-Linie" folgten, sollten durch nicht näher bezeichnete Strafmaßnahmen gefügig gemacht werden.
Mit der Auflösung des OSI haben die schlimmsten Kriegstreiber eine taktische Niederlage einstecken müssen. Diese sollte freilich nicht überbewertet werden, da die Unterschiede zwischen den Gruppen innerhalb der politischen und militärischen Führungsspitze der USA nicht sehr groß sind. Rumsfeld verteidigte selbst in der Pressekonferenz am Dienstag, in der er die Auflösung des OSI bekannt gab, dessen grundsätzliche Notwendigkeit und erklärte, dass seine Aufgaben nun von den bestehenden Institutionen im Pentagon übernommen werden sollen.
Beabsichtigt oder unbeabsichtigt, jedenfalls wirkte der Medien-Krach um das OSI auch als Ablenkung von der genau zur gleichen Zeit erfolgten Einsetzung des Generals Poindexter als Chef des Information Awareness Office (IAO), einem anderen Propaganda-Büro, das der Forschungs- und Entwicklungsabteilung (DARPA) des Pentagon untersteht. Aufgabe des IAO soll sein, "Informationstechnologien und Systeme zu entwickeln, um asymmetrischen Bedrohungen durch eine totale Erfassung der Informationen zu begegnen, die für ein Zuvorkommen, für Warnungen im Rahmen der nationalen Sicherheit und für die Beschlussfassung in deren Rahmen nützlich sind".
IAO-Chef Poindexter ist ein alter Bekannter: Er war Sicherheitsberater unter Reagan, erlitt aber einen Karriereknick, als 1986 seine Verwicklung in die Iran-Contra-Affäre bekannt wurde. Die CIA hatte heimlich Waffen an den Iran verkauft und mit dem Erlös die Contras, die rechten Terroristen in Nikaragua, finanziert. Das Wiederauftauchen Poindexters rechtfertigte Pressesprecher Fleischer jetzt mit der Auskunft, nach Ansicht von Bush habe der General der Nation sehr gut gedient.
Knut Mellenthin
Neues Deutschland, 2. März 2002