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Die Rückkehr der Iran-Contra-Ritter
Als die so genannte Iran-Contra-Affäre 1986 aufflog, hätte sie beinahe zum Sturz von Präsident Ronald Reagan geführt. Nur die unglaubwürdige Behauptung, von nichts gewusst zu haben, rettete ihn. Heute sind die meisten führenden Beteiligten an der Affäre wieder in Amt und Würden. Bei Umfragen wurde festgestellt, dass kaum noch ein Durchschnitts-Amerikaner weiß, worum es damals überhaupt ging.
1979 wurde das Schah-Regime im Iran durch einen Massenaufstand gestürzt. Im selben Jahr brach auch die Diktatur Somozas in Nikaragua zusammen, die Sandinistische Befreiungsfront kam an die Macht, die von der US-Regierung von Anfang an massiv bekämpft wurde. Dazu gehörte die Bewaffnung der so genannten Contras, der Anhänger Somozas, die einen blutigen Krieg gegen die neue Regierung begannen. Als der US-Kongress jede direkte oder indirekte militärische Unterstützung der Contras verbot, wurde diese illegal fortgesetzt. Zur Finanzierung wurde Schwarzgeld aus gleichfalls illegalen Waffenlieferungen an den Iran, der sich seit 1980 im Krieg mit dem Irak befand, eingesetzt. Die ersten Lieferungen liefen über Israel, die folgenden direkt.
Die Affäre flog 1986 auf, nachdem ein amerikanisches Flugzeug mit Waffen für die Contras über Nikaragua abgestürzt war. Der Kongress leitete umfangreiche Ermittlungen ein, die aber nur Teile des Geschehens rekonstruieren konnten, weil die Hauptbeteiligten logen oder Aussagen verweigerten.
John Poindexter war während der Affäre Sicherheitsberater von Präsident Reagan und maßgeblich an den illegalen Machenschaften beteiligt. Er wurde 1990 zu einem halben Jahr Gefängnis verurteilt, weil er den Kongress belogen hatte, ein Jahr später freigesprochen. Jetzt ist er Direktor einer nach dem 11. September eingerichteten Abteilung im Pentagon, des Information Awareness Office, die ein riesiges Überwachungssystem aufbauen soll.
John Negroponte war während der Affäre Botschafter in Honduras, der wichtigsten Ausgangsbasis der Contra-Angriffe, und unmittelbar an deren illegaler Unterstützung beteiligt. Er wurde von Bush zum Botschafter bei der UNO ernannt.
Elliot Abrams leitet jetzt die für den Nahen Osten und Nordafrika zuständige Abteilung im Nationalen Sicherheitsrat. Er war zur Zeit der Affäre Staatssekretär für Lateinamerika im Außenministerium und kümmerte sich um schwarze Geldquellen für die Bewaffnung der Contras. Weil er bei der Untersuchung der Affäre Informationen zurückhielt, wurde er zu zwei Jahren auf Bewährung verurteilt, 1991 vom Vater des jetzigen Präsidenten begnadigt.
Um das Come Back von Otto Reich gab es eine monatelange Auseinandersetzung: Bush wollte ihn zum Staatssekretär im Außenministerium mit Zuständigkeit für Lateinamerika machen, bekam aber die Zustimmung des Kongresses nicht und ernannte Reich daraufhin zum Sonderbeauftragten des Außenministers. Obwohl Bush seit der Wahl im November über eine parlamentarische Mehrheit verfügt, hielt der Widerstand gegen Reich an. Anfang Januar wurde er zum Referenten von Sicherheitsberaterin Condoleezza Rice für Lateinamerika ernannt. Für diesen Posten ist die Zustimmung des Senats nicht nötig.
Reich war während der Affäre Direktor der (Des-)Informationsabteilung im Außenministerium und hatte die Aufgabe, die Unterstützung der konterrevolutionären Kräfte in Mittelamerika PR-mäßig zu begleiten. Der in Kuba geborene Reich hat engste Kontakte zu militant antikommunistischen exilkubanischen Kreisen.
Michael Ledeen war zur Zeit der Affäre laut offiziellem Lebenslauf Berater des Nationalen Sicherheitsrats, des Außenministeriums und des Verteidigungsministeriums, aber überwiegend in Rom stationiert, wo er mit dem italienischen Militärgeheimdienst zusammengearbeitet haben soll. Er führte die Verhandlungen, die zu den geheimen Lieferungen von Waffen aus Israel an den Iran führten.
Heute ist Ledeen in neokonservativen Einrichtungen aktiv, die die Strategie eines "Weltkriegs" gegen die islamischen Staaten betreiben. Darunter das Komitee für einen freien Libanon, das sich für den militärischen Sturz der syrischen Regierung einsetzt. Als Publizist ist Ledeen seit ein paar Monaten der lautstärkste Trommler für die "Befreiung" des Iran als nächste Etappe gleich nach Abschluss des Irak-Krieges.
Der einzige noch nicht reaktivierte Beteiligte an der Affäre ist Oliver North, damals stellvertretender Abteilungsleiter für politische Angelegenheiten im Nationalen Sicherheitsrat. Er war direkt für die umfassende Betreuung der nikaraguanischen Contras ebenso wie für die illegalen Waffenlieferungen an Iran zuständig, gilt als Organisator des ganzen Unternehmens. Außerdem soll North in die Verminung nikaraguanischer Häfen 1984 verwickelt gewesen sein. Weil er in den Ermittlungen über die Affäre gelogen hatte, wurde er 1989 zu drei Jahren Gefängnis mit Bewährung verurteilt, aber 1991 freigesprochen. Er kandidierte 1994 vergeblich für die Republikaner zum Senat, arbeitet heute für Rundfunk- und Fernsehsender.
Knut Mellenthin
Neues Deutschland, 26. Februar 2003