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Bruce Jackson kümmert sich um alles
Ein US-Rüstungsmanager als Vormund Osteuropas
Bruce Jackson ist in Personalunion Vorsitzender des Komitees für die Befreiung des Iraks und Präsident des NATO-Komitees, das sich gegen entsprechende Gegenleistungen für die schnelle Aufnahme der osteuropäischen Staaten in die NATO einsetzt. Bis zum August vorigen Jahres war er außerdem Vizepräsident des Rüstungskonzerns Lockheed.
Es war daher keine große Überraschung, als im März 2003 bekannt wurde, dass Jackson bei der Formulierung der Anfang Februar veröffentlichten Ergebenheitsadresse von zehn osteuropäischen Staaten für den geplanten Irak-Krieg der USA direkt mitgewirkt hat. Und es ist ebenfalls kein Wunder, dass der vielbeschäftigte Mann die Meldung sofort dementierte: Es sei eine Beleidigung, 120 Millionen Osteuropäern zu unterstellen, sie würden sich von ihm bevormunden lassen.
Die gespielte Empörung Jacksons, der nebenbei auch noch im Komitee für den Frieden in Tschetschenien uneigennützig Gutes tut, geht daneben: Mit Ausnahme Rumäniens gibt es in Allen an der Ergebenheitsadresse beteiligten Staaten eindeutige Mehrheiten gegen den Irak-Krieg. Im Namen der osteuropäischen Völker ist die Erklärung der sogenannten Vilnius-Zehn (Albanien, Bulgarien, Estland, Kroatien, Lettland, Litauen, Mazedonien, Rumänien, Slowakien und Slowenien) also ganz gewiss nicht abgegeben worden.
Dass Bruce Jackson sich seit Jahren mit Drohungen und Lockungen in die Politik der osteuropäischen Länder einmischt, ist dort allgemein bekannt. Obwohl er kein offizielles Amt hat, bezeichnen ihn osteuropäische Medien als "Botschafter", "Regierungsbeamten" oder "Diplomaten". Der Reisekader des Lockheed-Konzerns und der amerikanischen Neokonservativen tourt ständig durch die osteuropäischen Hauptstädte. Selbst in Minsk und Kiew öffnen sich für ihn alle Türen. Überall versteht Jackson den Eindruck zu erwecken, von seinem persönlichen Urteil und von den Zensuren, die er öffentlich verkündet, hänge das Tempo ab, mit dem die einzelnen Länder zur NATO zugelassen werden und sich Anschluss an westlichen Wohlstand erhoffen dürfen.
Schon im Vorfeld des Bombenkriegs gegen Jugoslawien (1999) hatte Jackson in den osteuropäischen Hauptstädten damit gelockt, dass die Chancen für einen schnellen NATO-Beitritt durch Zustimmung zum Krieg, noch besser durch einen direkten eigenen Beitrag, entscheidend gestärkt würden. Mit der gleichen Botschaft ist Jackson seit Monaten für den Irak-Krieg unterwegs. Der Regierung in Sofia versicherte er wenige Tage nach Veröffentlichung der Vilnius-Erklärung: "Ich bin sicher, dass Bulgarien in dieser Woche sehr viel für sich getan hat".
Auch der Innenpolitik der osteuropäischen Länder gilt Jacksons volle Aufmerksamkeit. Eine seiner Hauptforderungen ist das Vorantreiben von "Reformen" in den Sicherheitsorganen sowie in der Armee und in der Rüstungsindustrie. Produktionsanlagen sollen stillgelegt oder in enger Kooperation mit westlichen Konzernen umorganisiert und modernisiert werden. Dass Jackson dabei auch als Generalvertreter für Lockheed unterwegs ist, zahlte sich durch Großaufträge für Kampfflugzeuge und Radarsysteme aus.
Jackson kümmert sich auch ums Detail: Gemeinsam mit dem amerikanischen Botschafter in Sofia forderte er die Bulgaren auf, Generalstaatsanwalt Filschev abzulösen, und wandte sich erfolgreich gegen die Absicht, den sozialistischen Abgeordneten Asparuhov zum Chef des Geheimdienstes zu machen, der dieses Amt schon einmal bis 1997 hatte. Im September 2002 mischte Jackson sich sogar in die Verhandlungen um den Verkauf der staatlichen Tabak-Industrie Bulgariens an ausländische Interessenten ein: Ein von der Deutschen Bank gestütztes Konsortium müsse den Zuschlag kriegen, und nicht der russische Konkurrent. Anderenfalls wäre die Zustimmung des US-Kongresses zum bulgarischen NATO-Beitritt gefährdet.
Kürzlich spekulierte Jackson öffentlich über eine Spaltung der sozialdemokratischen Regierungspartei Rumäniens, der PSD. Sollte es dazu kommen, würde voraussichtlich der Weg für die bürgerliche Opposition frei. Ministerpräsident Nastase, gleichzeitig PSD-Chef, reagierte ausnahmsweise deutlich verärgert: Er werde Jackson einen Mitgliedsausweis der PSD schenken und ihn in einem Vierteljahr nach seiner Meinung fragen. So klar hat noch kein osteuropäischer Politiker gewagt, den Plagegeist in seine Schranken zu weisen.
Knut Mellenthin
Neues Deutschland, 5. März 2003