KNUT MELLENTHIN

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"Mein Name ist Hase..."

Warum das Berliner Memri nicht in Frieden leben kann

Seit April 2002 gibt es in Berlin eine Zweigstelle des in Washington beheimateten Middle East Media Research Institute, abgekürzt Memri. Seither sorgen Mirjam Gläser und Goetz Nordbruch in unermüdlichem Einsatz für Aufklärung über den arabischen Antisemitismus und islamischen Faschismus.

Nicht verstehen können Gläser und Nordbruch, wie sie in vielen Interviews beteuern, das starke Misstrauen, auf das ihre Arbeit in arabischen und moslemischen Kreisen, aber keineswegs nur bei denen, stößt. Den Vorwurf, Memri sei "eine rechte Siedlerorganisation" - ein Ausdruck aus der israelischen Innenpolitik, den in Deutschland vermutlich niemand in diesem Zusammenhang benutzen würde - halten die beiden Aktivisten für völlig aus der Luft gegriffen. Man werfe Memri auch vor, klagen Gläser und Nordbruch, dass es von einem Israeli gegründet wurde. Und das sei doch wirklich gemein und zeuge von starker Voreingenommenheit, um nicht zu sagen Antisemitismus. Nicht einmal die Behauptung, "pro-israelisch" zu sein, wollen die beiden Unschuldslämmchen gelten lassen.

Der Israeli, der das Memri im Jahr 1998 gegründet hat und heute sein Präsident ist, heißt Jigal Carmon. Er hat mehr als 20 Jahre lang für den militärischen Geheimdienst Israels, Aman (Agaf ha-Modi'in) gearbeitet, zuletzt als hochrangiger Offizier. Er wurde dann Terrorismus-Berater des ultrarechten israelischen Ministerpräsidenten Jitzhak Schamir, der 1986-92 regierte, und anschließend zunächst auch von dessen sozialdemokratischem Nachfolger Jitzhak Rabin, der 1995 ermordet wurde.

Als erklärter Gegner des Oslo-Friedensprozesses mit den Palästinensern, den er als "historische Katastrophe" bezeichnete, wandte sich Jigal Carmon jedoch bald öffentlich gegen die Politik Rabins. Er ließ sich in Washington nieder und bildete dort mit Jossi Ben-Aharon und Joram Ettinger die sogenannte "Dreierbande" oder, wie Rabin sie nannte, "die drei Musketiere". Gemeinsam betrieben sie unter Senatoren und Abgeordneten des US-Kongresses eine recht erfolgreiche Lobby-Arbeit gegen den Oslo-Friedensprozess und die Friedensverhandlungen Rabins mit Syrien. Ben-Aharon war zuvor Büroleiter von Schamir gewesen. Ettinger war in der Israelischen Botschaft in Washington Abteilungsleiter für "Kongress-Angelegenheiten".

Mehrere Artikel, die Carmon damals zur Bekämpfung des Oslo-Friedensprozesses publiziert hat, sind immer noch im Internet zu finden.

Bevor Carmon 1998 das Memri gründete, plante er gemeinsam mit einer Gruppe amerikanischer "Terrorismus-Experten" aus dem Hardliner-Lager die Bildung eines einschlägigen rechten Think Tanks. Seine Partner waren der anti-islamische Enthüllungsjournalist Steve Emerson, der nach 27 Jahren in den Ruhestand gegangene ehemalige FBI-Abteilungschef für Terrorismus-Bekämpfung, Steve Pomerantz, und Oliver Revell, ein weiterer ehemaliger hoher FBI-Funktionär.

Carmon hatte bei der Gründung des Memri eine ebenfalls aus Israel stammende Partnerin, Meyrav Wurmser, gleichfalls eine erklärte und vehemente Gegnerin des Oslo-Friedensprozesses. Sie war erste Chefin des Memri, zog sich allerdings schon 1999 zurück und wurde Leiterin der Nahost-Abteilung des Hudson Institute, eines neokonservativen Think Tank. Sie ist die Ehefrau von David Wurmser, einem hohen Beamten im US-Außenministerium und Mitglied der Führungsgremien mehrerer Organisationen des neokonservativen Netzwerks. Beide Wurmsers gehörten der von Richard Perle geleiteten Arbeitsgruppe an, die 1996 eine Strategie-Studie erstellte, die zur Grundlage der Außenpolitik des ultrarechten israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu wurde.

Noch in ihrer Zeit als Memri-Chefin veröffentlichte Meyrav Wurmser einen hochinteressanten Artikel "Can Israel Survive Post-Zionism?". Der Text ist im Internet zu finden unter www.allenpress.com/mieq/issues/vol06/ftr-0601.html. Nach Ansicht der Autorin befindet sich Israel in einer Identitäts- und Wertekrise, die durch den Post-Zionismus verursacht ist. Darunter versteht Mrs. Wurmser Historiker, die die offizielle Geschichtsschreibung des Staates Israel punktuell anzweifeln, sämtliche auf friedlichen Ausgleich mit den Palästinensern orientierte Gruppen, einschließlich der gesamten sozialdemokratischen Arbeitspartei, aber auch Soziologen, die die untergeordnete Stellung der orientalischen Juden (Sephardim) gegenüber den aus Europa stammenden (Aschkenasim) kritisieren. Mrs. Wurmser meint, dass der Post-Zionismus bereits zur herrschenden Strömung in Israel geworden sei. Selbst dem Likud wirft sie vor, die zionistische Vision aufgegeben zu haben, wie sich an seiner Akzeptanz des Oslo-Friedensprozesses und seiner Bereitschaft zum territorialen Rückzug zeige. Wohlgemerkt, der Artikel erschien schon 1999. Vielleicht urteilt Meyrav Wurmser über die Politik Scharons heute etwas milder.

Aus dem personellen Kontext ergibt sich: Das Memri ist ganz eindeutig nicht nur erklärtermaßen pro-israelisch (wogegen an sich wenig einzuwenden wäre, wenn es nicht von Gläser und Nordbruch treuherzig-trotzig bestritten würde), sondern es orientiert sich an der Politik des Likud, und zwar noch am ehesten an dessen rechtem Flügel um Netanjahu. Das Memri bekämpft einen friedlichen Ausgleich mit den Palästinensern. Und es ist eng verflochten mit dem neokonservativen Netzwerk, das die Strategie eines "Vierten Weltkriegs" gegen den "militanten Islam" propagiert.

Gerade erst vor etwas mehr als vier Jahren gegründet besitzt das Memri heute schon Zweigstellen in London, Jerusalem, Berlin und Moskau. Es beschäftigt nach eigenen Angaben (Jigal Carmon am 21. August 2002) über 30 Angestellte. Darüber hinaus vermutlich zahlreiche freie Mitarbeiter, vor allem als Übersetzer. "Da ist immer Misstrauen...Die erste Frage ist, wer das finanziert, welche politischen Interessen stehen dahinter", klagte Goetz Nordbruch wehleidig in einem Interview im Oktober 2002.  Ja, die Welt ist gemein, und es kann der Frömmste nicht in Frieden leben.

Knut Mellenthin

Analyse & kritik, Januar 2003