KNUT MELLENTHIN

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Zweifelhafte Alternativen

US-Kongress beschließt umfassende Sanktionen gegen Irans Handelspartner. Israels Netanjahu drängt auf militärische Maßnahmen.

Der US-Kongress hat am Mittwochabend ein neues großen Sanktionspaket gegen Iran beschlossen. Kurz hintereinander nahmen das Abgeordnetenhaus mit 421 zu 6 und der Senat ohne Gegenstimme den Iran Sanctions, Accountability, and Human Rights Act of 2012 an. Das jetzt verabschiedete Gesetz stellt einen Kompromiss zwischen Demokraten und Republikanern dar, dem monatelange Verhandlungen vorausgegangen waren. Mittlerweile befand sich der Kongress in Zeitdruck, weil er Ende dieser Woche eine fünfwöchige Sommerpause antritt. Anschließend sind die Parlamentarier mit dem Wahlkampf beschäftigt: Am 6. November steht nicht nur der Präsident, sondern auch ein Drittel des Senats und das gesamte Abgeordnetenhaus zur Wahl.

Jetzt fehlt zum Inkrafttreten des Gesetzes nur noch die Unterschrift von Präsident Barack Obama. Diese gilt als sicher: Regierungsvertreter haben die angestrebte Verschärfung der Strafmaßnahmen schon im Vorfeld wärmstens begrüßt.

Die offizielle Pro-Israel-Lobby AIPAC hatte an der Formulierung des Gesetzes maßgeblich mitgewirkt. Am Dienstag forderten die Führer des AIPAC alle Abgeordneten schriftlich zur Zustimmung auf. Zum Inhalt des Gesetzes hieß es in dem offenen Brief, es werde „buchstäblich die Gesamtheit des iranischen Energie-, Finanz- und Transportwesens mit US-Sanktionen belegen“. „Unternehmen, die in diesen Sektoren mit Iran Geschäfte machen, droht der Verlust des Zugangs zu den US-Märkten.“ Ziel der Strafmaßnahmen sei es, „Iran daran zu hindern, irgendwelche Erlöse aus seinen Ölverkäufen nach Hause zu transferieren. Dadurch verliert Iran 80 Prozent seiner Hartwährungs-Einkommen und die Hälfte der Mittel, aus denen es seinen Staatshaushalt finanziert.“ Getroffen würden durch das neue Gesetz auch Irans Versuche, die bereits bestehenden westlichen Sanktionen durch Tauschgeschäfte (barter transactions), ein eigenes System von Schiffsversicherungen und Einschaltung von Drittbanken zu umgehen, erläuterte der AIPAC.

Nach westlichen Angaben ist der iranische Erdölexport bereits von rund 2,5 Millionen Barrels pro Tag (2011) auf weniger als 1,5 Millionen (nach anderen Angaben 1,8 Millionen) gesunken. Iran verliere dadurch in jedem Vierteljahr neun Milliarden Dollar Einnahmen. Iranische Medien vermeiden konsequent Angaben zur Gesamtentwicklung des Ölexports. Sie heben stattdessen Einzelpunkte wie etwa den Anstieg der Lieferungen nach Japan und China in den vergangenen zwei oder drei Monaten hervor. In beiden Fällen scheinen die Zahlen zu stimmen; sie sind aber nicht zuletzt darauf zurückzuführen, dass diese Länder zu Anfang des Jahres ihre Öleinfuhren aus dem Iran stark reduziert hatten.

Der demokratische Abgeordnete Howard Berman, ranghöchster Vertreter seiner Partei im Außenpolitischen Ausschuss des Hauses, drohte bei der Verabschiedung des Gesetzes mit weiteren Sanktionen: „Diese Maßnahmen sind von großer Bedeutung, aber die Iraner sollen sich nicht einbilden, dass dies das letzte Wort ist. Weit davon entfernt.“ - Der Handvoll Kritiker im Abgeordnetenhaus, darunter der Demokrat Dennis Kucinich und der Republikaner Ron Paul, entgegnete Berman: „Dies ist nicht der nächste Schritt zum Krieg. Dies ist die Alternative zum Krieg.“

Ganz anders sieht das Israels Premier Benjamin Netanjahu. Die bisherigen Sanktionen hätten überhaupt nichts gebracht, sagte er anlässlich des Besuchs von US-Verteidigungsminister Leon Panetta. Auch die bloße Drohung mit der „militärischen Option“ könne die Iraner nicht einschüchtern. Deshalb seien „ernstere“ Maßnahmen geboten, und zwar „sehr schnell“. „Die Zeit für eine friedliche Lösung des Problems läuft ab.“

Knut Mellenthin

Junge Welt, 3. August 2012