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Zwei Briefe an Obama
Die Pro-Israel-Lobby der USA will mit Hilfe des Kongresses Einfluss auf die Iran-Verhandlungen nehmen.
In beiden Häusern des US-Kongresses werden derzeit Unterschriften für zwei verschiedene offene Briefen gesammelt, mit denen die internationalen Verhandlungen über das iranische Atomprogramm torpediert werden sollen.
Im Abgeordnetenhaus kursiert eine Vorlage des republikanischen Fraktionschefs Eric Cantor und seines demokratischen Kollegen Steny Hoyer. Das dem Senat vorliegende Schreiben hat je drei Erstunterzeichner aus beiden großen Parteien. Darunter sind der Republikaner Lindsey Graham, dessen Name nie fehlt, wenn für Krieg und Aufrüstung geworben wird, und der Demokrat Robert Menendez. Der 60jährige Sohn kubanischer Einwanderer gehört in Allen Fragen, die auch nur entfernt israelische Interessen berühren, zum radikalen Flügel seiner Partei. Er ist eines der wenigen demokratischen Kongressmitglieder, die von Anfang an offen gegen Barack Obamas Versuch einer Verhandlungslösung mit dem Iran Front gemacht haben. Menendez ist Mit-Initiator einer Senatsresolution, die die Gespräche mit Teheran schon im frühen Stadium durch neue Sanktionen abwürgen sollte. Nachdem Obama mit der Anwendung seines Vetorechts gedroht hatte, ruht der Antrag vorläufig. Immerhin wird er bereits von 59 Senatoren ausdrücklich unterstützt. 66 Stimmen wären jedoch notwendig, um das geplante Gesetz trotz Präsidenteneinspruch durchzubringen.
Hinter den Texten beider im Kongress zur Unterschrift vorliegenden offenen Briefe an Obama steht die offizielle Organisation der Pro-Israel-Lobby, das AIPAC. Mit vollem Namen: American Israel Public Affairs Committee. Das AIPAC hat gerade von Sonntag bis Dienstag seine alljährliche Konferenz in Washington abgehalten. Dieses Großereignis ist eine Art Oscar-Gala der Politik, auf der sich in familiärer Stimmung die Prominenz beider Kongressparteien drängt – und überdies eine enthusiastische Kulisse für Benjamin Netanjahu. Am letzten Tag der Konferenz überschwemmt das AIPC regelmäßig mit über 10.000 Anhängern alle Abgeordneten- und Senatorenbüros, um die Parlamentarier zur öffentlichen Unterstützung irgendwelcher Forderungen zu nötigen. In diesem Jahr ging es um die Unterschriften für einen der beiden Briefe. Damit versucht die Lobby, die anfangs unbedingt die Senatsresolution von Menendez & Co. durchpeitschen wollte, aber dann einen Rückzieher machte, sich wieder ins Spiel zu bringen.
Beide Briefvorlagen haben zum Ziel, die US-Regierung auf Forderungen festzulegen, von denen als sicher angenommen werden kann, dass Iran sich ihnen nicht unterwerfen wird, und die zudem eindeutig dem Genfer Abkommen vom 24. November vorigen Jahres widersprechen. Hauptsächlich geht es darum, Iran das Recht auf Uran-Anreicherung abzusprechen, die Schließung und Demontage der Anreicherungsanlagen durchzusetzen, und einen Abbruch der Bauarbeiten am Schwerwasserreaktor bei Arak zu erzwingen. In unmissverständlicher, aber sprachlich geschickter Form wird in beiden Entwürfen darauf hingewiesen, dass Obama die Zustimmung des Kongresses benötigen würde, um die wesentlichen Sanktionen gegen Iran aufzuheben. Deshalb müsse die Administration die Parlamentarier stärker als bisher in die Verhandlungen und die Bewertung seiner Ergebnisse einbeziehen. Haarscharf wird dabei die von einigen Abgeordneten und Senatoren bereits erhobene ultimative Forderung vermieden, dass Obama dem Kongress jede abschließende Vereinbarung mit dem Iran zur Abstimmung vorlegen müsse.
Obwohl beide Brieftexte sich zwar in der Wortwahl, aber nicht in der Substanz unterscheiden, werden erhebliche Unterschiede zwischen ihnen konstruiert. So hat die den Demokraten nahestehende pro-israelische Gruppe J Street, die oft im Gegensatz zum AIPAC steht, erklärt, dass sie den Senatstext ablehnt, aber den im Abgeordnetenhaus vorliegenden Entwurf unterstützt. Am Dienstag gab überdies der Vorsitzende des Streitkräfteausschusses des Senats, der Demokrat Carl Levin, bekannt, dass er den im Abgeordnetenhaus kursierenden Text bevorzuge und diesen unterschreiben werde. Andere Demokraten könnten sich ihm anschließen.
Knut Mellenthin
6. März 2014