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US-Senatoren fordern rechtsfreien Raum
Sechs Mitglieder des amerikanischen Senats haben am 10. März einen Gesetzentwurf eingebracht, der die Existenz des Gefangenenlagers Guantanamo verewigen und ordentliche Gerichtverfahren gegen die dort Inhaftierten verbieten soll. Kurz zuvor hatte Barack Obama am 7. März die Wiederaufnahme der Militärtribunale in dem US-Stützpunkt angekündigt. Sie waren nach seinem Amtsantritt im Januar 2009 vorübergehend ausgesetzt worden. Die sechs Senatoren begrüßten die Maßnahme des Präsidenten als „Schritt in die richtige Richtung“, kritisierten sie aber zugleich als nicht weitgehend genug. Sie wollen noch deutlicher als bisher festschreiben, dass die Gefangenen „bis zum Ende der Feindseligkeiten“ - ein im sogenannten Krieg gegen den Terror nicht definierbarer Zeitpunkt – festgehalten werden sollen und dass sie im Fall eines Prozesses nicht „die Rechte und Privilegien genießen“ dürfen, die Allen Angeklagten nach US-amerikanischem Recht zustehen.
Der jetzt dem Senat zur Diskussion vorgelegte „Military Detainee Procedures Improvement Act“ besteht aus neun Hauptpunkten:
- Das Recht des Präsidenten, „Mitglieder von Al-Qaida, den Taliban und ihnen nahestehenden terroristischen Gruppen“ gefangen zu halten, wird unter Berufung auf die vom Kongress am 14. September 2001 verabschiedeten Kriegsvollmachten bestätigt. Das schließt auch Personen ein, die künftig festgenommen werden.
- Alle gefangenen Mitglieder der genannten Gruppen müssen in Militärhaft gehalten werden. Individuelle Ausnahmen kann nur der Verteidigungsminister anordnen, wenn er sie mit dem „nationalen Sicherheitsinteresse“ begründet.
- Die Überstellung von Gefangenen, denen keine Straftaten nachzuweisen sind, in ihre Heimat oder andere Länder wird stark erschwert.
- Die Bereitstellung von Finanzmitteln für Haftanstalten in den USA, die als Alternative zum Lager Guantanamo dienen könnten, wird verboten. Gegen Personen, die für die Angriffe vom 11. September „direkt verantwortlich“ sind, dürfen keine ordentlichen Verfahren vor zivilen Strafgerichten durchgeführt werden. Als Beispiel wird Khalid Sheikh Mohammed genannt, der am 1. März 2003 im pakistanischen Rawalpindi festgenommen wurde. Die US-Behörden bezeichnen ihn als Chefplaner des 11. September.Weder internat ionale Organisationen wie das Rote Kreuz, noch Verwandte oder Anwälte haben Zugang zu ihm. Im Februar 2008 wurde gegen ihn Anklage erhoben, ohne dass bisher ein Prozess eröffnet wurde.
- und
- fordern neue Regeln für das Haftüberprüfungsverfahren in Guantanamo.
- Das Recht der Militärgerichte, die Todesstrafe gegen gefangene Terroristen zu verhängen, soll bekräftigt werden.
- Der Kongress soll dem Präsidenten die formale Vollmacht zu gezielten Mordaktionen gegen Individuen erteilen, die mit der Durchführung oder Planung von Terrorhandlungen „in Verbindung stehen“.
- Terroristen, die längere Zeit in Guantanamo gefangen gehalten wurden, sollen durch Militärgerichte abgeurteilt werden.
Initiatoren des Gesetzentwurfs sind der unabhängige Senator Joe Liebermann, der den Vorsitz im Senatsausschuss für innere Sicherheit führt, sowie fünf Republikaner, darunter John McCain, der bei der Präsidentenwahl 2008 der Gegner von Barack Obama war. Im Lager Guantanamo werden derzeit nach offiziellen Angaben 172 Menschen gefangen gehalten. Unter ihnen sind etwa 90, gegen die wegen fehlender Beweise kein Gerichtsverfahren zu erwarten ist, die aber auch nicht freigelassen werden sollen. Insgesamt haben mindestens 760 Menschen das Lager durchlaufen oder befinden sich noch dort.
Knut Mellenthin
Junge Welt, 14. März 2011