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Uneffektiv und kontraproduktiv
Obama lässt Massenmord-Einsätze gegen Pakistan fortsetzen
Bei einem US-amerikanischen Drohnenangriff auf Nordwestpakistan wurden am Mittwoch mindestens 16 Menschen getötet. Bei einer ähnlichen Attacke hatte es am Vortag sechs Tote gegeben. Der gestrige Angriff richtete sich gegen eine Gruppe von Häusern im Gebiet von Baber Ghar in Südwasiristan. Nach Augenzeugenberichten sollen an der Operation fünf unbemannte Flugkörper beteiligt gewesen sein, die insgesamt zehn Raketen abschossen. Der Angriff am Dienstag hatte in der Nähe von Miran Schah, der Hauptstadt des Bezirks Nordwasiristan, stattgefunden. Nach Angaben pakistanischer Sicherheitskräfte waren alle Opfer örtliche Rebellen, deren Identität nicht bekannt ist.
Barack Obama hat seit seiner Amtsübernahme im Januar 2009 die Einsätze bewaffneter Drohnen gegen Ziele in Pakistan vervielfachen lassen. Der Angriff vom Mittwoch war, einer Zählung der Nachrichtenagentur AFP zufolge, der 63. in diesem Jahr. Im vorigen Jahr gab es mehr als 100 Attacken. Die Gesamtzahl der während Obamas Präsidentschaft durch solche Operationen getöteten Menschen wird auf mehr als 1500 geschätzt. „Hochrangige Ziele“ oder Personen, von denen wenigstens der Name bekannt ist, sind äußerst selten unter den Opfern.
Die Drohnen-Einsätze gegen Pakistan fallen in die ausschließliche Zuständigkeit der CIA. Nach Berichten US-amerikanischer Medien hat der Auslandsgeheimdienst bei der Auswahl der Ziele völlige Entscheidungsfreiheit. Präsident Obama muss erst nachträglich unterrichtet werden. Die Kriterien, nach denen die Einsätze erfolgen, sind nicht öffentlich bekannt. Dazu gehört beispielsweise, wie viele Opfer unter Nicht-Kombattanten während eines Angriffs in Kauf genommen werden dürfen.
Die Zeitung Wall Street Journal, die den Republikanern und den Neokonservativen nahe steht, behauptete am 4. November in einem außergewöhnlich ausführlichen Artikel, dass die Regeln für Drohnen-Angriffe vor kurzem geändert worden seien. Allerdings beruhte der Bericht ausschließlich auf anonymen Quellen. Die dort genannten Modifizierungen betreffen lediglich die politischen Rahmenbedingungen der Attacken, aber nicht ihre Voraussetzungen als solche. So sollen jetzt angeblich die „pakistanischen Führer“ - der Begriff wird nicht genauer erläutert – vor beabsichtigten Angriffen informiert werden. Das war schon in den ersten Amtsjahren von George W. Bush so praktiziert worden, aber später auf seine Anweisung hin geändert worden. Außerdem sollen laut Wall Street Journal keine Attacken stattfinden, während sich pakistanische Politiker zu Besuch in den USA befinden. Das State Department und der Botschafter in Islamabad sollen künftig in die Entscheidung über den Zeitpunkt der Angriffe einbezogen werden.
Nicht durchgesetzt haben sich in dieser Debatte offenbar diejenigen unter den Politikern und Militärs der USA, die eine grundsätzliche Kritik an den sogenannten signature strikes haben. Im Gegensatz zur zweiten Kategorie, den personality strikes, die ganz bestimmte „hochwertige“ Personen zum Ziel haben, richten sich signature strikes gegen beliebige größere Ansammlungen von unbekannten Männern und männlichen Jugendlichen, in denen die CIA Kämpfer oder Unterstützer der Rebellen vermutet. Die Opfer sind in diesen Fällen überwiegend und allenfalls „Fußsoldaten“. Gegen solche Operationen wird von Kritikern innerhalb des Regierungs- und Militärapparats der USA eingewendet, dass sie militärisch ineffektiv sind, aber politisch äußerst kontraproduktiv wirken.
Knut Mellenthin
Junge Welt, 17. November 2011