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USA und EU stellen sich auf die territoriale Zerstückelung Somalias ein
Ein nicht identifizierter Hubschrauber hat am Sonntag ein Haus in der von Islamisten beherrschten somalischen Hafenstadt Merka, rund 70 Kilometer südlich von Mogadischu, mit Raketen beschossen. Nach Angaben der Organisation Al-Schabab wurde bei dem Angriff niemand getötet oder verletzt. Anwohner berichten, dass der Hubschrauber vom Meer her gekommen sei, ohne dass ein Kriegsschiff zu sehen war. Nicht weit von Merka entfernt hatten Kampfhubschrauber einer US-amerikanischen Spezialeinheit am 14. September 2009 den angeblichen Chef einer Al-Qaida-Zelle getötet. Sprecher des Pentagon und der US-Streitkräfte dementierten aber eine Verbindung zu dem Angriff vom Sonntag. Das Militär der somalischen Übergangsregierung besitzt keine Kampfhubschrauber.
Am Freitag hatte der für Afrika zuständige Unterstaatssekretär im Außenministerium, Johnny Carson, eine Neuorientierung der Somalia-Politik angekündigt. Die Regierung in Washington will sich künftig sehr viel intensiver und offensiver um die Separatstaaten Somaliland und Puntland kümmern, die beide am strategisch wichtigen Golf von Aden liegen. Somaliland, das territorial mit der früheren britischen Kolonie identisch ist, erklärte im Mai 1991 seine Unabhängigkeit von Somalia und schließt eine Rückkehr in einen gemeinsamen Staatsverband kategorisch aus. Puntland hingegen ist zwar seit 1998 faktisch selbstständig, beansprucht aber offiziell nur Autonomie und bekennt sich zur „Einheit und territorialen Integrität“ Somalias.
Zwischen Somaliland und Puntland gibt es einen militärisch ausgetragenen Grenzkonflikt. Obwohl beide Separatstaaten auch heftige innenpolitische Konflikte haben, werden sie in den USA und innerhalb der EU zunehmend als „Oasen“ von „Ruhe“, „Stabilität“ und sogar „Demokratie“ gefeiert. Zwar sind beide Gebilde von keiner Regierung der Welt anerkannt, aber die Anzeichen für eine Aufwertung durch westliche Staaten mehren sich. Führend war dabei, soweit es Somaliland angeht, bisher die frühere Kolonialmacht Großbritannien. In Puntland werden erhebliche Erdölvorkommen vermutet, doch scheiterte deren Erforschung und Ausbeutung durch ausländische Unternehmen bisher am ungeklärten Status des Gebiets.
Wie Carson am Freitag ausführte, sehen die USA die beiden Separatstaaten als „Bollwerk gegen Extremismus und Radikalismus“. Washington wolle sie zwar derzeit nicht formal anerkennen, aber ihre materielle Unterstützung stark ausweiten. Konkret sprach der Diplomat von Projekten im Bereich der Landwirtschaft, der Wasserversorgung, der Gesundheit und der Erziehung. Zuständig für die Organisierung der Zusammenarbeit werde die US-Botschaft in Kenia sein.
Carson kündigte darüber hinaus an, dass die USA auch ihre Unterstützung für „lokale Regierungen, Clans und Unterclans“ in Mittelsomalia verstärken wollen, die weder die Islamisten noch die Übergangsregierung in Mogadischu unterstützen. Zu denken ist bei dieser Umschreibung vor allem an die Region Galmudug, die einen weitgehend unabgängigen Pufferstaat zwischen Somalia und Puntland bildet. Vermutlich bezieht sich Carsons Unterstützungsversprechen auch auf Ahlu Sunna - eine bewaffnete Organisation, die mit den Islamisten verfeindet ist und im März ein sehr brüchiges Bündnis mit der Übergangsregierung eingegangen war, das sie gerade für beendet erklärt hat.
Knut Mellenthin
Junge Welt, 28. September 2010