KNUT MELLENTHIN

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Stuttgarter US-Regionalkommando für Afrika voll operationsfähig

Seit dem 30. September beherbergt Deutschland offiziell eine weitere Kriegszentrale. Am Dienstag erhielt das neue Regionalkommando der US-Streitkräfte für Afrika offiziell den Status einer eigenständigen Führungseinheit. Das in den Stuttgarter Kelly-Baracks untergebrachte AFRICOM war vor einem Jahr aus dem ebenfalls in der schwäbischen Hauptstadt beheimateten Europa-Kommando, EUCOM, ausgegliedert worden, blieb diesem aber zunächst noch als Abteilung unterstellt. Derzeit arbeiten im AFRICOM-Hauptquartier etwa 1300 Menschen, etwa je zur Hälfte Militärpersonal und Zivilisten.

AFRICOM ist das sechs Regionalkommando der US-Streitkräfte. Die anderen sind NORTHCOM (Nordamerika), SOUTHCOM (Mittel- und Südamerika), EUCOM (Europa und Russland), CENTCOM (Naher und mittlerer Osten, Afghanistan, Pakistan und das post-sowjetische Zentralasien) sowie PACOM (Pazifik , Indischer Ozean, China). Die gesamte Welt ist lückenlos in militärische Befehlsstrukturen der USA aufgeteilt, als befänden wir uns in einem globalen Krieg.

Bis zur Schaffung von AFRICOM waren für Afrika drei verschiedene Regionalkommandos zuständig. Der größte Teil des Kontinents, 42 Staaten, war Befehlsbereich des EUCOM. Ägypten, Sudan, Äthiopien, Eritrea, Dschibuti, Somalia und Kenia unterstanden dem CENTCOM, Madagaskar und einige kleinere ostafrikanische Inseln dem PACOM. Nun werden die militärischen Aktivitäten der USA in ganz Afrika von AFRICOM geleitet. Mit zwei Ausnahmen: Ägypten bleibt, als Teil des Nahen Ostens, auch künftig in der Zuständigkeit des CENTCOM, dessen Hauptquartier sich in Florida befindet. Auch die in Dschibuti (Nordostafrika) stationierte Combined Joint Task Force of Africa, der 1.800 Marines und Sonderkommando-Soldaten angehören, untersteht weiterhin dem CENTCOM, da zu ihrem Zuständigkeitsbereich auch die arabische Halbinsel gehört.

Entgegen früheren Ankündigungen soll das Hauptquartier von AFRICOM nun nicht nur provisorisch, sondern „auf absehbare Zeit“ in Stuttgart bleiben. Die ursprüngliche Planung hatte vorgesehen, das neue Regionalkommando so bald wie möglich auf den afrikanischen Kontinent zu verlegen. Neokonservative Kreise, die auch schon die Entscheidung zur Schaffung von AFRICOM beeinflusst hatten, schlugen dafür die Errichtung eines riesigen US-Stützpunktes im westafrikanischen Inselstaat Sao Tome und Principe vor. Er sollte auch Heimathafen eines neu zu schaffenden eigenen Flottenverbandes werden, der den Golf von Guinea und damit die Erdölausfuhr aus der Region, vor allem aus Nigeria, kontrollieren würde. Aus diesem Raum kommen heute schon 17 Prozent des von den USA eingeführten Erdöls – das ist bereits mehr, als die Vereinigten Staaten von der arabischen Halbinsel beziehen.

Intensive Sondierungen der US-Regierung endeten allerdings mit einem Fehlschlag. AFRICOM wird auf dem Kontinent weithin mit großem Misstrauen betrachtet. Allgemein wird darin ein Versuch der USA gesehen, unter dem Vorwand des „Krieges gegen den Terror“ auch Afrika in ihre aggressive Globalstrategie einzubeziehen und sich militärisch festzusetzen. Vor allem starke Regionalmächte wie Südafrika und Nigeria kritisierten den gesamten Plan. Am Ende zeigte sich, dass außer Liberia kein afrikanischer Staat bereit wäre, Sitz des AFRICOM zu werden.

Inzwischen wurden auch die ursprünglichen Absichten reduziert, AFRICOM im ganz großen Stil für die Image-Werbung der US-Streitkräfte zu nutzen. Die Planung hatte vorgesehen, unter Leitung von AFRICOM alle Arten von zivilen Hilfsprojekten zu konzentrieren und neue zu initiieren. Das scheiterte allerdings am Widerspruch des Außenministeriums, das für diesen Bereich traditionell zuständig ist. Außerdem meldeten zahlreiche afrikanische Staaten Bedenken gegen die Militarisierung solcher Hilfsprojekte an.

Knut Mellenthin

Junge Welt, 2. Oktober 2008