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Obamas Schweigen
Warum die US-Regierung über den Militärputsch in Ägypten nicht sprechen will.
US-Präsident Barack Obama will den gewaltsamen Sturz der ägyptischen Regierung am 3. Juli nicht als Militärputsch bezeichnen. Neben der naheliegenden Vermutung, dass der Staatsstreich der Generäle mit den USA abgesprochen worden war, gibt es für Obamas Schweigen auch einen juristischen Grund: Der Foreign Assistance Act schreibt vor, dass einem Land, dessen rechtmäßige Regierung durch einen Putsch beseitigt wurde, alle Hilfeleistungen gestrichen werden müssen. Dieses Gesetz kann nicht durch eine vom Präsidenten anzuordnende Ausnahmeregelung – einen sogenannten „waiver“ - umgangen werden. Da es andererseits heikel wäre, wenn die US-Administration bestreiten würde, dass es sich bei den Vorgängen in Ägypten um einen militärischen Staatsstreich handelt, sind die Rechtsberater des Weißen Hauses auf einen typisch amerikanischen Einfall gekommen: Der Foreign Assistance Act verpflichte die US-Regierung nicht, eine formale Beurteilung vorzunehmen, ob ein Putsch stattgefunden hat oder nicht.
Ägypten erhält von den USA jährlich rund 1,55 Milliarden Dollar Unterstützung, von denen 1,3 Milliarden als Militärhilfe deklariert sind. Das wurde 1979 vereinbart, als das Kairoer Regime unter Anwar al-Sadat in einen Friedensvertrag mit Israel einwilligte. Für die Rüstungsindustrie der USA stellt diese Summe einen fest kalkulierbaren Einnahmeposten dar, zumal die Bewaffnung der ägyptischen Armee zugleich als kontinuierliches Alibi für die Militärhilfe an Israel herhalten muss. Die Regierung in Jerusalem hat denn auch, einheimischen und US-amerikanischen Medien zufolge, ihren Einfluss in Washington geltend gemacht, die Militärhilfe nicht einzustellen. Außerdem sichert diese den USA entscheidenden Einfluss auf die Führung der ägyptischen Streitkräfte. Und schließlich soll möglichst verhindert werden, dass Ägypten sich künftig noch mehr als bisher auch auf andere Lieferanten orientiert. Ein Kongressbericht verzeichnete vor zwei Jahren, dass Ägypten seit 2003 Waffen im Wert von 800 und 600 Millionen Dollar in China und Russland gekauft habe.
Abgesehen von den erwähnten Gründen wäre es für die USA auch technisch äußerst problematisch, die Militärhilfe auf Grund tagespolitischer Ereignisse kurzfristig zu unterbrechen: Ägypten hat bereits auf etliche Jahre im Voraus Verträge über künftige Waffenlieferungen mit US-amerikanischen Firmen abgeschlossen, also sozusagen einen großen Vorschuss auf die erwarteten regelmäßigen Hilfszahlungen der nächsten Jahre genommen.
Republikanische Politiker, Allen voran Hardliner John McCain, kritisieren und verspotten Obamas Weigerung, den Putsch beim Namen zu nennen. Das heißt jedoch keineswegs automatisch, dass sie die Einstellung der Militärhilfe an Ägypten befürworten. Viel mehr streben sie, wie auch zahlreiche demokratische Kongressmitglieder, eine Änderung der Gesetzeslage an. Die Putsch-Klausel ganz aus dem Foreign Assistance Act zu streichen, wäre wahrscheinlich umstritten und in absehbarer Zeit kaum zu machen. Als vergleichsweise rasch zu bewerkstelligen wird aber die Einfügung eines Waivers betrachtet, der dem Präsidenten erlauben würde, das Gesetz „im nationalen Interesse“ ausnahmsweise zu umgehen.
Als Zeichen in alle Richtungen hat das Pentagon am vorigen Mittwoch die fällige Lieferung von vier Kampfflugzeugen an Ägypten ohne nähere Angaben „verschoben“. Den ägyptischen Putschgenerälen signalisiert diese materiell nicht ins Gewicht fallende Geste den Wunsch der US-Regierung, sich bei der blutigen Repression gegen die Anhänger der Muslimbrüder etwas zu mäßigen.
Knut Mellenthin
Junge Welt, 29. Juli 2013