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Noch länger geheim
Der militärische Geheimdienst der USA, die Defense Intelligence Agency (DIA), versucht, die Veröffentlichung eines Buches zu stoppen, das sich unter anderem mit Hintergründen und Vorgeschichte der Angriffe vom 11. September 2001 beschäftigt. Das berichtete Fox News am Freitag. Der den Neokonservativen nahestehende Sender dokumentierte seine Behauptung mit der Fotokopie eines Briefes der DIA an eine Dienststelle der US-Armee. Diese hatte das von dem Offizier Tony Schaffer verfasste Buch zuvor unter Gesichtspunkten der „operativen Sicherheit“ und der „Ethik“ geprüft und zum Druck freigegeben.
Die DIA widerspricht dieser Bewertung mit der Begründung, dass in Schaffers Manuskript geheime Informationen zur Arbeit des Dienstes enthalten seien. In dem von DIA-Chef Ronald Burgess persönlich unterzeichneten Brief an die Army wird darauf verwiesen, dass auch der Auslandsgeheimdienst CIA, das Oberkommando der Streitkräfte für Spezialoperationen (USSOCOM) und die mit weltweiten Abhöraktionen befasste National Security Agency (NSA) sich gegen die Freigabe des Buches ausgesprochen hätten. Im Fall der NSA handele es sich sogar um als „TOP SECRET“ eingestufte Informationen. Vor diesem Hintergrund fordert Burgess die Army auf, Schaffer formell die erneute Vorlage seines Manuskripts zwecks Zensur zu befehlen. Außerdem soll der Offizier auf seinen Verleger einwirken, die Auslieferung des Buches, das den Titel „Operation Dark Heart“ tragen soll, zu stoppen.
Schaffer war, damals noch im Dienste der DIA, vor dem 11. September an einem Datensammel-Projekt der Geheimdienste beteiligt, das Able Danger hieß und dem Kampf gegen den „internationalen Terrorismus“ dienen sollte. Schaffer behauptet seit Jahren, dass es dort schon vor dem 11. September Hinweise auf den angeblichen Kopf der Entführer, Mohammed Atta, gegeben habe. Schaffer gibt außerdem an, dass er im September 2000 versucht habe, die Bundespolizei FBI auf Atta aufmerksam zu machen, aber von Militäranwälten daran gehindert worden sei. Eine vom Geheimdienstausschuss des Senats durchgeführte Untersuchung kam im Dezember 2006 zu dem Urteil, dass Schaffers Angaben falsch seien. Zu diesem Zeitpunkt war der größte Teil der Able-Danger-Files schon unwiederbringlich vernichtet.
Nach Angaben von Fox News will die DIA vor allem erreichen, dass aus dem Buch alle Bezüge auf ein Treffen Schaffers mit Philip Zelikow gestrichen werden. Dieser leitete damals die Arbeit der von der Bush-Regierung eingesetzten Untersuchungskommission zum 11. September. Schaffer behauptet, Zelikow bei dem Treffen über die Able-Danger-Angelegenheit informiert zu haben. Im Abschlussbericht der Kommission tauchte davon jedoch nichts auf.
Laut Fox News soll die DIA mit Schaffers Verleger über den Ankauf sämtlicher 10.000 Exemplare des Buches verhandeln. Der Sender kündigt außerdem weitere Enthüllungen an. Dabei soll es um den US-Amerikaner jemenitischer Abstammung Anwar al-Awlaki gehen. Der jetzt angeblich im Jemen lebende Prediger steht auf der Liste der CIA für „gezielte Tötungen“. Awlakis Vater und mehrere Bürgerrechtsgruppen haben deswegen Klage gegen Präsident Barack Obama, CIA-Chef Leon Panetta und Kriegsminister Robert Gates erhoben. Sie richtet sich zum einen gegen die Mordabsicht und fordert zweitens von der Regierung, ihre Kriterien für die „gezielte Tötung“ von US-Bürgern offenzulegen. Fox News behauptet jetzt, beweisen zu können, dass das FBI nach dem 11. September versucht habe, Awlaki zu rekrutieren.
Knut Mellenthin
Junge Welt, 11. September 2010