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Noch eine "humanitäre Intervention"
Die Afrikanische Union (AU) treibt die Internationalisierung der Bürgerkriege im Nordosten des Kontinents weiter voran. Die Dachorganisation der afrikanischen Staaten gab am Freitag die Aufstellung einer 5.000 Mann starken Truppe bekannt, die die Jagd auf die Überreste der von Joseph Kony geführten „Lord's Resistance Army“ (LRA, Widerstandsarmee Gottes) intensivieren soll. Die 1987 gegründete ugandische Guerrilla-Organisation hatte zeitweise mehrere tausend Kämpfer in ihren Reihen. Mittlerweile ist sie militärisch weitgehend zerschlagen und aus Uganda vertrieben; ihre nur noch 200-300 Anhänger halten sich hauptsächlich in der Zentralafrikanischen Republik, zum Teil auch in der Republik Kongo auf.
Die von der AU mandatierte Truppe wird nicht neu gebildet, sondern soll militärische Einheiten aus den vier Ländern zusammenfassen, die ohnehin schon am Kampf gegen die LRA beteiligt sind: Uganda, Zentralafrikanische Republik, Kongo und Südsudan, das im Juli vorigen Jahres mit westlicher Hilfe seine staatliche Unabhängigkeit erlangte. Das Hauptquartier der Truppe soll im Südsudan eingerichtet werden, das Oberkommando soll ein ugandischer Oberst führen.
Ziel der AU-Entscheidung ist, die militärischen Operationen der vier Staaten, zwischen denen es Widersprüche und Animositäten gibt, stärker als bisher zu koordinieren und für die neue Konstruktion zusätzliche Finanzmittel der USA und der EU einzuwerben. Darüber hinaus geht es darum, das grenzübergreifende Agieren der ugandischen Streitkräfte zu legitimieren und zu erleichtern. Die Regierung in Kampala hatte sich gerade erst vor zwei Wochen beschwert, dass ihre Soldaten im Kongo nicht die gleiche Bewegungs- und Aktionsfreiheit haben wie in der Zentralafrikanischen Republik.
Zwei Tage vor der Ankündigung der AU hatten am Mittwoch 33 der 100 Mitglieder des US-Senats einen Resolutionsentwurf vorgelegt, der die beteiligten Staaten zum gemeinsamen Vorgehen gegen die LRA auffordert. Von der US-Regierung wird verlangt, das Potential der Streitkräfte in der Region zu verstärken. Die Antragsteller gehören überwiegend der Demokratischen Partei an. Neun Republikaner, darunter die notorischen Kriegstreiber John McCain und Lindsay Graham sowie der mit ihnen ständig kooperierende unabhängige Senator Joseph Lieberman, haben sich ihnen angeschlossen.
Dem Abgeordnetenhaus liegt ein ähnlicher Resolutionsentwurf schon seit dem 13. März vor. Die Initiativen im Kongress dienen auch dazu, die Stationierung von 100 US-amerikanischen „Beratern“ in den am Kampf gegen die LRA beteiligten afrikanischen Ländern zu unterstützen, die Präsident Barack Obama im Oktober vorigen Jahres bekannt gegeben hatte.
Eine offenbar sehr effektive Propaganda für eine „humanitäre Intervention“ des Westens gegen die LRA macht seit einigen Wochen der Film „Kony 2012“, der angeblich schon von über 80 Millionen Menschen im Internet angeklickt wurde.
Knut Mellenthin
Junge Welt, 26. März 2012