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Niederlage für Überwachungskritiker
Knappe Mehrheit des US-Abgeordnetenhauses schmettert Gesetz zur Einschränkung der Bevölkerungsbespitzelung ab.
Ein Gesetz, das die Überwachung der US-Amerikaner durch ihre Regierung einschränken sollte, ist am Mittwoch im Abgeordnetenhaus nur knapp gescheitert. Für die Vorlage stimmten 205 Parlamentarier, dagegen votierten 217. Unter den Befürwortern waren mit 111 die Mehrheit der 201 demokratischen Abgeordneten, aber auch 94 von 234 Republikanern. Überwiegend kamen diese Stimmen vom rechten Flügel der Partei, wo das Misstrauen gegen die zentralen staatlichen Behörden besonders kultiviert wird. Die Führungen der beiden großen Kongressparteien hatten gemeinsam mit dem Weißen Haus und dem Netzwerk der Geheimdienste alles getan, um das Gesetz scheitern zu lassen.
Verpackt war diese Initiative als Ergänzung – Amendment - zum Militärhaushalt. Eingebracht hatten sie der Republikaner Justin Amash aus Michigan und der Demokrat John Conyers aus Detroit. Im Wesentlichen ging es in ihrem Antrag um die Datensammlung auf der Grundlage von Abschnitt 215 des Patriot Act, des nach dem 11. September 2001 verabschiedeten Überwachungsgesetzes.Während der Geheimdienst NSA derzeit wahllos Milliarden von Kommunikationen zwischen den Bürgern der USA registriert und kontrolliert, sollte das Amash-Conyers Amendment die Datensammlung auf Personen beschränken, gegen die tatsächlich im Zusammenhang mit der sogenannten Terrorbekämpfung ermittelt wird. Das Amendment bezog sich nicht auf die von der NSA im riesigen Ausmaß betriebene Überwachung von Kommunikationen, die ausschließlich zwischen Ausländern außerhalb der USA stattfinden.
Die Abstimmung am Mittwoch war die allererste Gelegenheit, bei der im Abgeordnetenhaus über den Spionageskandal diskutiert wurde, der die USA und die Welt schon seit mehreren Wochen beschäftigt. Die Gegner des Antrags von Amash und Conyers operierten mit der Behauptung, die Befürworter des Gesetzes hätten „den 11. September vergessen“. Nach Angaben von Geheimdienstvertreter, die zuvor einflussreiche Abgeordnete gezielt bearbeitet und mit „Argumenten“ ausgerüstet hatten, sollen mit Hilfe der Generalüberwachung der Bevölkerung 54 terroristische Angriffe verhindert worden sein. Unerwartete Unterstützung hatten Amash und Conyers durch den republikanischen Abgeordneten F. James Sensenbrenner aus Wisconsin erhalten, der unter Präsident George W. Bush einer der wichtigsten Verfasser des Patriot Act war. Er bekundet jetzt, dass damals nicht daran gedacht worden sei, ein Programm zu schaffen, das der Regierung die Überwachung der Telefongespräche jedes einzelnen Amerikaners erlaubt.
Der Pentagon-Haushalt insgesamt wurde am Mittwoch vom Abgeordnetenhaus mit 315 gegen 109 Stimmen klar gebilligt. Er sieht für das Steuerjahr 2014 Militärausgaben in Höhe von 595 Milliarden Dollar vor. Darunter sind 82,3 Milliarden direkte Kriegskosten.
Ebenfalls am Mittwoch eröffnete Präsident Barack Obama eine seiner mittlerweile bekannten „Themenwechsel“-Kampagnen. Kritiker spotten, dies sei nun bereits Obamas neunter Versuch, von unbequemen Gegenständen abzulenken, indem er auf das Gebiet der Wirtschafts- und Sozialpolitik ausweicht, wo er mit relativ guten Umfragewerten punkten kann. Am Mittwoch hielt der Präsident zwei nahezu identische Ansprachen in zwei kleinen Universitätsstädten von Illinois und Missouri. Am Donnerstag sollte es in Florida weitergehen. Auftritte mit dem Erfolgsstück sind in nächster Zeit auch in anderen Bundesstaaten geplant. Die Grundmelodie: Die Wirtschaft befinde sich, dank Obama, endlich wieder im Aufschwung. Alles wäre schön, wenn „die wachsende Ungleichheit“ nicht wäre, die er so gern beseitigen würde, wobei aber leider die Republikaner im Wege seien. Fast alle Einkommenszuwächse der vergangenen zehn Jahre seien dem obersten einen Prozent der Bevölkerung zugute gekommen, beklagte der Präsident. Das Durchschnittseinkommen der Direktoren sei seit 2009 – Obamas Amtsantritt – um 40 Prozent gewachsen, während ein Durchschnittsamerikaner heute weniger verdiene als 1999. Interessante Zahlen, immerhin.
Knut Mellenthin
Junge Welt, 26. Juli 2013