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Netanjahu kann mit seinem Besuch in Washington zufrieden sein
Barack Obama und Binjamin Netanjahu haben am Montag im Weißen Haus ihr erstes Treffen als Präsidenten ihrer Länder absolviert. Ein Hamburger Nachrichtenmagazin orakelte über eine „Standpauke“, die der amerikanische Demokrat dem israelischen Rechten halten werde. Natürlich wurde daraus nichts, und auch sonst gab es absolut keine Überraschungen. Denn die Oberhäupter der beiden Staaten, zwischen denen eine wasserdichte „Sonderbeziehung“ besteht, werden schließlich nicht wie Kampfhähne aufeinander losgelassen, wobei es auch schon mal Lärm und Blessuren geben könnte. Damit nichts schief geht, bereiten Teams von kompetenten Beratern nicht nur den Gesprächsverlauf, sondern auch die politisch erwünschten Ergebnisse und deren Darstellung für die Medien tagelang exakt und perfekt vor. Politik ist zu wichtig und zu kompliziert, um sie Präsidenten zu überlassen.
Anders als sein Vorgänger Ehud Olmert will Netanjahu über einen Palästinenserstaat nicht einmal zum Schein mit sich reden lassen. Mit diesem Programm hat er seinen Wahlkampf geführt, dafür wurde er gewählt, und das ist er nicht nur seiner eigenen Partei, dem Likud, schuldig, sondern auch seinem noch rechteren Koalitionspartner Avigdor Lieberman.
In der Praxis ist der Unterschied minimal. Schon unter Olmert und seiner Außenministerin Tzipi Livni wurde über einen Palästinenserstaat nicht verhandelt, geschweige denn, dass dieses Ziel wirklich verfolgt worden wäre. Aber alle US-Regierungen haben sich seit langem auf die Formel „Zwei-Staaten-Lösung“ festgelegt. Darauf muss auch die von Netanjahu geführte Koalition aus Rechten und Rechtsextremen Rücksicht nehmen. Nicht etwa, dass Obama seinen Kollegen drängen würde, diese Formel zu akzeptieren und ihr wenigstens der Form halber Reverenz zu erweisen. US-Präsidenten drängen die Israelis grundsätzlich zu überhaupt nichts, außer wenn sie gern Krach mit dem Kongress haben und an einer zweiten Amtszeit von vornherein nicht interessiert sind. Aber wenigstens Verhandlungsbereitschaft musste Netanjahu signalisieren, egal worüber. Und so versicherte er nach dem Treffen mit Obama, dass einem Gespräch mit Palästinenserpräsident Mahmud Abbas von seiner Seite nichts im Wege stehe. Außer dass die Palästinenser Israel als „Jüdischen Staat“ anerkennen müssten.
Diese Bedingung, die Netanjahu gerade rechtzeitig eingefallen ist, geht sehr viel weiter als die alte Forderung, das Existenzrecht Israels müsse anerkannt werden. Die neue Formel impliziert, dass der Status der israelischen Araber als diskriminierte Bürger zweiter Klasse den Segen der PLO erhalten soll. Würde Abbas das mitmachen, gäbe es ein zusätzliches, sehr starkes Argument für die Forderung Liebermans, alle arabischen Bewohner auszubürgern, die den Schwur auf die zionistische Staatsdoktrin verweigern. Dass Abbas oder irgendein denkbarer Nachfolger über diese Brücke gehen würde, ist allerdings äußerst unwahrscheinlich. So dass, wie so oft in der Geschichte dieses Konflikts, die Palästinenser den Schwarzen Peter für das Scheitern einer politischen Lösung hätten.
Obama verpasste seine Chance, Netanjahus Vorbedingung öffentlich als gezielte Provokation abzulehnen. Stattdessen schwärmte er auf der anschließenden Pressekonferenz fernab der Realität von der „außerordentlich günstigen Gelegenheit“, die jetzt genutzt werden müsse, und beteuerte sein Vertrauen in Netanjahus „politische Fähigkeiten ebenso wie seine historische Vision“.
Der US-Präsident scheint, Insiderquellen zufolge, demnächst einen „regionalen Friedensplan“ vorlegen zu wollen. Kern soll das Ansinnen an die von Washington abhängigen arabischen Regimes sein, den in Wirklichkeit gar nicht stattfindenden „Friedensprozess“ mit den Palästinensern durch „vertrauensbildende Maßnahmen“ zu erleichtern. Dazu sollen unter anderem die staatliche Anerkennung Israels und die Gewährung von Überflugrechten gehören, ohne dass sich Netanjahus Regierung gegenüber den Palästinensern bewegen muss. Als einzige israelische Gegenleistung wird ein „Einfrieren“ der Siedlungsexpansion in den besetzten Gebieten ins Spiel gebracht.
Genaues über Obamas „Friedensplan“ weiß man allerdings nicht. Denn vier Monate nach Amtsantritt gibt es ihn immer noch nicht. Angeblich will der US-Präsident ihn am 4. Juni vorstellen, wenn er Ägypten besucht und dort voraussichtlich eine Propaganda-Rede an die moslemische Welt richten will.
Auch Obamas „Angebot“ an den Iran, von dem seit Monaten so viel die Rede ist, als würde es wirklich schon existieren, wird noch etwas warten müssen. Der US-Präsident hat jetzt öffentlich ausgesprochen, was ohnehin vermutet werden musste: Erst nach der iranischen Präsidentenwahl will die US-Regierung konkrete Vorschläge machen. Erster Wahlgang ist am 12. Juni. Anschließend wird es allerdings sehr schnell gehen müssen: Zwar sprach sich Obama am Montag gegen eine „künstliche Frist“ für diplomatische Bemühungen aus, betonte aber zugleich, man werde mit dem Iran sicher nicht „ewig verhandeln“ und bis Jahresende müssten Ergebnisse vorliegen. Anderenfalls schließe er keine Art von scharfen Reaktionen der USA aus.
Mehr hätte Netanjahu aus auch unter George W. Bush nicht aus Washington nach Hause bringen können.
Knut Mellenthin
Junge Welt, 20. Mai 2009