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Nackter Kaiser
In der Auseinandersetzung um Militäraktionen gegen Syrien hat die Israel-Lobby der USA die schwerste Niederlage ihrer Geschichte erlitten. Noch nie zuvor hatten sich nicht nur ihre offizielle Vertretung, das AIPAC, sondern auch die sogenannte Präsidentenkonferenz, der Dachverband der 52 bedeutendsten politischen und religiösen jüdischen Organisation des Landes, so offen, geschlossen und massiv für ein bestimmtes Ziel in die Schlacht geworfen. Nach fast zwei Wochen intensiver Bearbeitung der Öffentlichkeit und aller Kongressmitglieder waren gerade mal ein Senator und ein Abgeordneter auf Kriegskurs umgeschwenkt. Nur 25 oder 26 Abgeordnete haben bisher angekündigt, dass sie für eine Kriegsresolution stimmen würden. Nötig wären mindestens jedoch mindestens 217. Im Senat, wo zur einfachen Mehrheit 51 Stimmen erforderlich wären, haben sich erst 23 Mitglieder für Militärschläge ausgesprochen.
Dieses Ergebnis ist äußerst bitter für eine Lobby, die es seit Jahrzehnten gewohnt ist, dass ihr die meisten Kongressmitglieder - weniger aus Überzeugung, sondern mehr aus Bequemlichkeit und Feigheit – reflexartig und geradezu besinnungslos folgen. Mehrheiten von über 80 Prozent, oft sogar fast einstimmige Zustimmung für alle vom AIPAC lancierten Anträge sind die Norm. Ein Parlamentarier, der da nicht mitspielt, mag sich, wenn er in seinem Wahlkreis populär ist, vielleicht sogar mehrere Amtszeiten im Kongress halten. Aber nie wird er auch nur in den Vorhof der Kreise gelassen werden, die über die große Politik des Landes mitzureden haben. Daran bestand bis jetzt kein Zweifel.
Man muss 32 Jahre zurückgehen, um überhaupt eine Abstimmungsniederlage der Lobby zu finden: Im Oktober 1981 stimmte der Senat mit der denkbar knappen Mehrheit von 52 gegen 48 dem Verkauf von fünf AWACS-Radarflugzeugen an Saudi-Arabien zu, den die Lobby blockieren wollte. Zuvor hatte das Abgeordnetenhaus den Deal allerdings mit 301 gegen 111 Stimmen abgelehnt. Israel wurde reichlich entschädigt. Letztlich wurde mit dem damaligen Geschäft eine Politik gefördert, deren strategischer Nutzen für Israel heute klar auf der Hand liegt.
Mag der Kongress demnächst auch wieder zur Routine zurückkehren: Die Grunderfahrung, dass Gehorsamsverweigerung möglich ist, wird kaum verlorengehen.
Knut Mellenthin
Junge Welt, 15. September 2013