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Moratorium kaputt
Das Atom-Abkommen zwischen Nordkorea und den USA ist gescheitert.
Nordkorea fühlt sich an eine Ende Februar geschlossene Vereinbarung mit den USA nicht mehr gebunden. Eine entsprechende Erklärung gab das Außenministerium der Demokratischen Volksrepublik (DVRK) am Dienstag ab. Zentraler Bestandteil des Abkommens war ein zeitweiser Verzicht Nordkoreas auf Tests mit atomaren Sprengkörpern und Langstreckenraketen. Das Moratorium schloss außerdem eine Unterbrechung der Arbeiten an der Anreicherung von Uran und die Rückkehr der 2009 ausgewiesenen Inspektoren der Internationalen Atomenergie-Behörde (IAEA) ein. Im Gegenzug hatte die US-Regierung versprochen, 250.000 Tonnen Lebensmittel in die DVRK zu liefern.
Mit der Aufhebung ihres Moratoriums reagierte die Regierung in Pjöngjang auf die vom UN-Sicherheitsrat am Montag einstimmig beschlossene Verurteilung des nordkoreanischen Versuchs, einen Wettersatelliten in eine Umlaufbahn um die Erde zu schießen. Die dreistufige Rakete war am Freitag voriger Woche ein bis zwei Minuten nach dem Start ins Meer gestürzt. Der Sicherheitsrat sieht in dem Unternehmen einen Verstoß gegen seine Resolutionen 1718 (2006) und 1874 (2009), durch die der DVRK jede Arbeit an Langstreckenraketen untersagt wurde. Eine rechtliche, für alle Staaten geltende Grundlage des Verbots gibt es nicht. Die Regierung in Pjöngjang ist außerdem der Ansicht, dass Weltraumsatelliten nicht in diese Kategorie fallen.
In der am Montag vom Sicherheitsrats verabschiedeten Stellungnahme werden den Nordkoreanern weitere Strafmaßnahmen angedroht, falls sie erneut eine Rakete starten oder einen Atomtest unternehmen. Ein seit 2006 bestehender spezieller Ausschuss wurde beauftragt, innerhalb der nächsten 15 Tage einen Katalog möglicher zusätzlicher Sanktionen vorzulegen. Parallel dazu kündigte die US-Regierung an, in Kürze ein Paket von ihr gewünschter Strafmaßnahmen gegen die DVRK vorzulegen. Sie gab außerdem bekannt, dass sie die versprochenen Lebensmittel nicht liefern werde.
In der am Dienstag veröffentlichten Erklärung des nordkoreanischen Außenministeriums wird den USA vorgeworfen, sie hätten den UN-Sicherheitsrat für einen „feindseligen Akt“ missbraucht und dem Gremium ein „unvernünftiges Verhalten“ aufgenötigt. Die Demokratische Volksrepublik werde auch weiterhin vom Recht aller Staaten auf friedliche Nutzung des Weltraums Gebrauch machen. Durch ihr Verhalten habe die US-Regierung das Abkommen vom 29. Februar gebrochen, so dass „wir an dieses nicht länger gebunden sind“. „Dadurch sind wir in der Lage, unabhängig von dem Abkommen die erforderlichen Vergeltungsmaßnahmen zu ergreifen. Die USA sind für alle sich daraus ergebenden Konsequenzen verantwortlich. Der Frieden ist uns sehr teuer, aber die Würde der Nation und die Souveränität des Landes sind uns noch teurer.“
Schon vor dem Satellitenstart am Freitag hatten südkoreanische Medien unter Berufung auf nicht näher bezeichnete Quellen gemeldet, dass die DVRK damit begonnen habe, in der Anlage von Punggje-ri im Nordosten des Landes eine unterirdische nukleare Versuchsexplosion vorzubereiten. Dort hatten auch die beiden früheren nordkoreanischen Atomtests, am 9. Oktober 2006 und am 25. Mai 2009, stattgefunden. Belastbare Beweise für die Planung eines dritten Tests gibt es jedoch bisher nicht.
Nordkorea verfügt über genug Plutonium für etwa sechs bis acht Nuklearsprengköpfe. Ob die DVRK aber auch irgendein Trägersystem besitzt, um sie ins Ziel zu bringen, ist ungewiss und gilt als eher unwahrscheinlich.
Knut Mellenthin
Junge Welt, 19. April 2012