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Iran probt Verteidigung
US-Präsident Obama droht mit weiteren Strafmaßnahmen. China und Russland noch nicht zu neuen Sanktionen bereit.
Im Iran haben am Sonntag fünftägige Luftverteidigungs-Übungen begonnen. Sie erstrecken sich über eine Fläche von 600.000 Quadratkilometer, mehr als ein Drittel des iranischen Territoriums. Die Manöver sind die größten ihrer Art, die bisher im Iran durchgeführt wurden. Sie sind vor dem Hintergrund der ständigen US-amerikanischen und israelischen Drohungen zu sehen, die zivilen Atomanlagen des Landes durch Militärschläge zu zerstören. Ein hochrangiger iranischer Militär drohte am Sonntag, dass im Fall eines israelischen Angriffs sofort ballistische Raketen auf Tel Aviv abgeschossen würden. Mojtaba Zolnour ist Repräsentant von Ajatollah Seyyed Ali Khamenei, der höchsten Autorität Irans, im Korps der Revolutionsgarden.
Zuvor hatte vom 21. Oktober bis zum 3. November das amerikanisch-israelische Manöver Juniper Cobra stattgefunden, bei dem die gemeinsame Abwehr von iranischen Vergeltungsschlägen geprobt worden war. Es war bereits die sechste Übung dieser Art seit 2001, aber ihr Umfang stellte alle Vorgänger in den Schatten. Das Szenario des Manövers machte erneut deutlich, dass die USA sofort in den Krieg eintreten würden, falls Iran sich gegen israelische Angriffe zur Wehr setzen würde. Israel hat es folglich in der Hand, durch einen militärischen Alleingang eine automatische Eskalation auszulösen.
US-Präsident Barack Obama hat am Donnerstag dem Iran gedroht, es würde „seine Sicherheit verringern“, wenn es im Streit um sein ziviles Atomprogramm nicht einlenkt. Die amerikanische Regierung werde „im Lauf der nächsten Wochen ein Paket möglicher Schritte entwickeln, die wir unternehmen könnten, um Iran unsere Ernsthaftigkeit zu verdeutlichen“. Zugleich äußerte Obama seine Genugtuung, dass es den USA gelungen sei, „eine außergewöhnliche internationale Einheit“ gegen den Iran zustande zu bringen. „Ich denke, das zeigt, dass wir die richtige Vorgehensweise gewählt haben.“
Indessen endete ein Treffen der Iran-Sechs (China, Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Russland und USA), das am Freitag in Brüssel stattfand, ohne Einigung auf neue Sanktionen oder deren Androhung. Russland und China hatten sich zuvor ausdrücklich dagegen ausgesprochen, im Moment noch weiter an der Schraube wirtschaftlicher Strafmaßnahmen zu drehen. In der gemeinsamen Erklärung der Iran-Sechs, die nach dem Brüsseler Treffen veröffentlicht wurde, ist jedoch von „Enttäuschung“ die Rede. Dem Iran wurde vorgeworfen, er sei nicht zu einem „intensivierten Dialog“ bereit und habe es insbesondere abgelehnt, sich vor Ende Oktober noch einmal mit den Iran-Sechs zu treffen, wie es Anfang des Monats vereinbart worden war.
Außenminister Manuchehr Mottaki hatte zuvor am Mittwoch definitiv erklärt, dass Iran eine Präzisierung und Modifizierung der Vorschläge wünscht, über die es im Oktober mit den Iran-Sechs und der Internationalen Atomenergie-Behörde IAEA verhandelt hatte. Der ursprüngliche Plan sah vor, dass Iran bis Jahresende rund 70 Prozent seiner Vorräte an schwach angereichertem Uran nach Russland transportiert und im Austausch schließlich aus Frankreich Brennplatten für den Betrieb eines Versuchsreaktors in Teheran erhält. Diese Anlage hatten die USA schon zur Zeit des Schah-Regimes geliefert. Sie produziert Isotope, die für die Behandlung von Krebskranken benötigt werden.
Mottaki machte in seiner Stellungnahme deutlich, dass Iran es vorziehen würde, die Platten auf dem internationalen Markt zu kaufen oder selbst zu produzieren. Vorstellbar sei aber auch, sie unmittelbar gegen eine entsprechende Menge schwach angereichertes Uran einzutauschen. Der ursprüngliche Plan sieht hingegen vor, dass Iran zunächst das Uran liefert und erst mehrere Monate später die Platten erhält. Das ist bei iranischen Politikern auf starke Kritik gestoßen, da das Land seit der „Islamischen Revolution“ von 1979 bei solchen Vereinbarungen schon mehrfach betrogen wurde. Die US-Regierung lehnt indessen neue Verhandlungen über das geplante Geschäft ab.
Knut Mellenthin
Junge Welt, 22. November 2009