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Rätselhaftes Hintergrundgespräch
Hat Barack Obama dem Iran ein Verhandlungsangebot gemacht? Oder hat er nur seine „Strategie“ immer härterer Sanktionen bekräftigt und wieder einmal mit der „militärischen Option“ gedroht? Äußerungen des US-Präsidenten vor einem kleinen Kreis ausgewählter Journalisten werden auffallend selektiv und unterschiedlich interpretiert.
Die Presseleute waren am am Mittwoch überraschend zu einem „Hintergrundgespräch“ mit „Sicherheitspolitikern“ der Regierung ins Weiße Haus eingeladen worden. Ohne Vorankündigung tauchte auch Obama auf und blieb etwa 20 Minuten. Er hielt einen kleinen Vortrag und beantwortete anschließend einige Fragen. Nachdem der Präsident den Raum wieder verlassen hatte, setzten die anwesenden „Sicherheitspolitiker“ das Frage-und-Antwort-Spiel mit den Journalisten fort.
Die Presseberichte stimmen überein, dass Obama sehr stark die sich abzeichnenden Wirkungen der internationalen Sanktionen betonte. Die iranische Führung sei überrascht und betroffen, da sie nicht damit gerechnet habe, dass die USA nahezu „die ganze Welt“, insbesondere Russland und China, „ins Boot kriegen“ würden. Der Präsident verwahrte sich in diesem Zusammenhang gegen den Vorwurf der Republikaner und Neokonservativen, er sei im Umgang mit dem Iran „naiv“. Seine anfänglichen Gesprächsangebote seien darauf gezielt gewesen, den guten Willen der USA zu demonstrieren, hingegen die Iraner als Verweigerer dastehen zu lassen und sie international zu isolieren. Dieses Ziel sei im Wesentlichen erreicht worden. In der iranischen Führung seien bereits Widersprüche über das weitere Vorgehen zu erkennen, auch wenn nicht auszuschließen sei, dass dort „die ideologische Fixierung auf Atomwaffen“ stärker sei als die „wirtschaftliche Kosten-Nutzen-Rechnung“.
Eine wesentliche neue Aussage enthielten die Ausführungen des US-Präsidenten dennoch: „Es ist sehr wichtig, dass man den Iranern ein klares Paket von Schritten vorlegt, die wir für ausreichend halten würden, um zu zeigen, dass sie nicht nach Atomwaffen streben. Sie müssen wissen, wozu sie 'ja' sagen können.“ - Genau diese eindeutige Klärung ist bis heute nicht erfolgt, obwohl der Streit von den USA schon seit mindestens acht Jahren geführt wird und Obama selbst seit 18 Monaten im Weißen Haus residiert. In dieser Zeit hat die US-Regierung die Vermengung des Atom-Themas mit Allen möglichen sonstigen Streitfragen sogar noch vorangetrieben.
Eine anderer bemerkenswerter Punkt des „Hintergrundgesprächs“ war Obamas Aussage, dass Iran Schwierigkeiten mit der Uran-Anreicherung habe und rein technisch noch zwei Jahre brauchen würde, um genug hochangereichertes Uran für eine einzige Bombe zu produzieren - falls es irgendwann damit beginnen würde. Der US-Präsident deutete außerdem die Möglichkeit an, unabhängig vom Atomstreit ein „zweites Gleis“ zu schaffen, um mit dem Iran in Sachen Afghanistan zusammenzuarbeiten.
Knut Mellenthin
Junge Welt, 7. August 2010