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Hardliner Cheney auf Anti-Russland-Tour
1 Milliarde Dollar Belohnung für Georgien. Erstmals US-Kriegsschiff in Poti
Mit Gesprächen in der Ukraine beendete US-Vizepräsident Dick Cheney am Freitag seine Rundreise durch drei prowestliche Staaten an den Grenzen Russlands. Zuvor hatte der Politiker, der als eigentlicher Erfinder der US-Offensivstrategie, des sogenannten Kriegs gegen den Terror, gilt, Aserbaidschan und Georgien besucht. Von der ukrainischen Hauptstadt Kiew aus wollte Cheney zur letzten Station dieser Reise, nach Italien, fliegen. Die italienische Regierung ist innerhalb der Europäischen Union die Hauptgegnerin der vor allem von Großbritannien und den baltischen Staaten geforderten „Bestrafung“ und „Isolierung“ Russlands.
Es gehört zum unvermeidlichen Ritual solcher Propagandatourneen, dass Cheney auf jeder Station seine Gastgeber als Bannerträger der Freiheit pries. Tatsächlich aber sieht es in den drei besuchten Ländern mit der Demokratie nicht gut aus. Aserbaidschan wird autoritär von einer Familiendynastie verwaltet, der Korruption und kriminelle Machenschaften nachgesagt werden. In Georgien boykottiert die Opposition das Abgeordnetenhaus, weil sie sowohl die Präsidentenwahl im Januar als auch die Parlamentswahl im Mai für manipuliert und gefälscht hält. Präsident Michail Saakaschwili hatte im November vorigen Jahres Massenproteste gegen seine Regierung niederschlagen lassen und den Ausnahmezustand verhängt. Wer nicht in den aggressiven Hurra-Patriotismus der alleinregierenden Nationalpartei einstimmt, sieht sich schnell als „Agent“ und „Spion“ Russlands verdächtigt. So jetzt ein Sohn des ersten post-sowjetischen Präsidenten Georgiens, Swiad Gamsachurdia, der am Donnerstag verhaftet wurde. In der Ukraine geht Präsident Viktor Juschtschenko, dessen Popularität sich mit nur noch 6 Prozent Zustimmung auf dem Tiefpunkt befindet, mit ähnlichen Vorwürfen gegen Andersdenkende vor. Selbst gegen seine Verbündete in der „orangen Revolution“ von 2004, Regierungschefin Julia Timoschenko, lässt er wegen „Landesverrat“ ermitteln.
Vor allem die Präsidenten Georgiens und der Ukraine haben es sehr eilig, ihre Länder in die NATO zu führen. Juschtschenko hat dabei allerdings die Mehrheit der Bevölkerung gegen sich. Cheney versprach beiden, dass die US-Regierung in der NATO darauf drängen wird, den Aufnahmeprozess zu beschleunigen. Nach Georgien hatte er als besonderes Geschenk eine Hilfszusage über 1 Milliarde Dollar mitgebracht. Die von der US-Regierung bereits grundsätzlich zugesagte Aufrüstung und Modernisierung der georgischen Streitkräfte ist in dieser Summe noch nicht enthalten.
Unterdessen legte erstmals ein US-amerikanisches Kriegsschiff im georgischen Schwarzmeerhafen Poti an. Die Mount Whitney, das Flaggschiff der im Mittelmeer stationierten 6. Flotte der US-Marine, sollte angeblich Hilfslieferungen bringen. An den Ortsausgängen von Poti gibt es noch russische Kontrollposten. Zwei andere US-Kriegsschiffe hatten zuvor das südlicher gelegene Batumi angesteuert.
Knut Mellenthin
Junge Welt, 6. September 2008