KNUT MELLENTHIN

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Fitness-Programm für den nächsten Krieg

Die USA wollen Georgiens Streitkräfte wieder aufrüsten und modernisieren. Russland verlangt Waffenembargo.

Einem Bericht der russischen Tageszeitung Kommersant vom Donnerstag zufolge ist eine Gruppe von NATO-Experten in Georgien eingetroffen. Sie solle den militärischen Bedarf des Landes nach dem Überfall auf Südossetien und dem Krieg gegen Russland einschätzen. Die Tätigkeit dieser Arbeitsgruppe werde geheimgehalten. Ihre Anwesenheit und ihre grundsätzliche Aufgabe seien aber von einem Sprecher des Verteidigungsministerium in Tbilissi bestätigt worden, schreibt der Kommersant. Das Blatt zitiert einen Ministeriumssprecher mit den Worten: „Dieser Besuch und diese Verhandlungen sind nicht für die Presse bestimmt.“

Kommersant bringt die Visite der Expertengruppe mit dem Besuch einer hochrangigen NATO-Rats-Delegation in Tbilissi in Zusammenhang, der am 15. und 16. September stattfinden soll. Die Delegation soll von NATO-Generalsekretär Jaap de Hoop Scheffer geleitet werden. Diese Reise wurde von den NATO-Außenministern am 19. August als Ausdruck der Unterstützung für Georgien beschlossen. Während des Besuchs in Tbilissi soll die konstituierende Sitzung des NATO-Georgien-Ausschusses stattfinden, dessen Einrichtung die NATO-Staaten beschlossen haben, um die Einbeziehung Georgiens in die Militärallianz zu beschleunigen. Laut Kommersant soll es bei den Gesprächen in Tbilissi in der kommenden Woche auch um Weichenstellungen für die Wiederaufrüstung Georgiens gehen. Die jetzt gesammelten Erkenntnisse der Expertengruppe sollen als Entscheidungsgrundlage dienen.

Offiziell war bisher in Verlautbarungen des Pentagon nur davon die Rede, dass in dieser Woche ein US-amerikanisches „Einschätzungsteam“ nach Georgien kommen soll, „um uns zu helfen, Georgiens legitime Bedürfnisse und unsere Antwort zu prüfen“. „Es sollte kein Zweifel bestehen, dass Georgien Militärhilfe von den Vereinigten Staaten verdient“, sagte Eric Edelman, Staatssekretär für Politik – der dritthöchste Rang im Verteidigungsministerium – am Dienstag in einer Ausschuss-Anhörung des Senats. „Georgien muss, wie jedes souveräne Land, die Fähigkeit haben, sich selbst zu verteidigen und eine erneute Aggression abzuschrecken.“

Bei der Wiederaufrüstung Georgiens geht es unter anderem darum, zerstörte militärische Infrastruktur, wie das Radarsystem und die Stützpunkte in Gori und Senaki, wiederherzustellen. Darüber hinaus sollen die georgischen Streitkräfte auf Grundlage der Erfahrungen des kurzen Krieges im August auch modernisiert und verstärkt werden. Unter anderem sollen sie Luftabwehrwaffen und Waffen zur Panzerbekämpfung erhalten.

Präsident Michail Saakaschwili lässt indessen keinen Zweifel, dass er möglichst bald einen Revanchekrieg vom Zaun brechen will. Diesmal, so prahlt er, mit voller Rückendeckung der NATO und der „internationalen Gemeinschaft“.

Als Reaktion hat Russland im UN-Sicherheitsrat den Entwurf einer Resolution vorgelegt, mit der Waffenlieferungen an Georgien verboten werden sollen. In seiner Begründung sagte der russische Botschafter bei der UNO, Witali Tschurkin: „Die ungezügelte Militarisierung Georgiens in den letzten Jahren, mit Unterstützung der USA und einiger anderer Länder, hat ganz sicher zu dem von Saakaschwili begangenen Aggressionsakt gegen Südossetien beigetragen.“ Der russische Entwurf untersagt neben Waffenlieferungen auch generell „jede Hilfe oder Beratungstätigkeit, die mit militärischen Aktivitäten verbunden ist.“

Knut Mellenthin
Junge Welt, 12. September 2008