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Erst Sanktionen, dann Krieg
US-Regierung fordert "Zusammenstehen" gegen Iran. Ahmadinedschad-Initiative offenbar gescheitert
Präsident Mahmud Ahmadinedschad hat die iranische Atomenergie-Behörde beauftragt, mit der Anreicherung von Uran auf 20 Prozent zu beginnen. In einer ersten Reaktion rief US-Verteidigungsminister Robert Gates „die Welt“ auf, gegen Iran „fest zusammenzustehen“ und neue scharfe Sanktionen zu beschließen.
Das zwanzigprozentige Uran wird für den Betrieb eines Reaktors in Teheran benötigt, der Isotope zur Behandlung von Krebspatienten herstellt. Iran hat seit September 2009 vergeblich versucht, das Material unter Einschaltung der Internationalen Atomenergie-Behörde (IAEA) auf dem internationalen Markt zu erwerben. Die IAEA schlug stattdessen ein Tauschgeschäft vor, bei dem Iran die dringend benötigten Brennplatten für den Reaktorbetrieb erst in einem Jahr erhalten würde. Außerdem soll Iran mit der Lieferung von 70 Prozent seines Vorrats an schwach angereichertem Uran in Vorleistung treten.
Iran versucht seit Monaten, Verhandlungen über die technischen Details des IAEA-Vorschlags zu erreichen. Das wird von der US-Regierung und ihren europäischen Verbündeten kategorisch abgelehnt. Am Dienstag voriger Woche deutete Ahmadinedschad in einem Fernsehinterview Bereitschaft an, die westlichen Bedingungen weitgehend zu akzeptieren. Ob es sich dabei nur um einen persönlichen Vorstoß oder um eine Kursänderung der iranischen Führung handelte, blieb unklar. Die entmutigende Reaktion der USA, Deutschlands, Frankreichs und Großbritannien bestand lediglich darin, einen Resolutionsentwurf für neue Sanktionen des UN-Sicherheitsrats in Umlauf zu bringen. Bisher widersetzen sich Russland und mehr noch China einem solchen Schritt.
Bei seinen Auftritten während der Münchner Sicherheitskonferenz am Wochenende kam Außenminister Manuchehr Mottaki nicht auf Ahmadinedschads spektakuläre Äußerungen zurück, sondern wiederholte im wesentlichen die alte iranische Position. Diese sieht vor, das eigene schwach angereicherte Uran in mehreren Schüben direkt gegen die Brennplatten zu tauschen.
Letztlich haben die Diskussionen um das Material für den Teheraner Reaktor mit dem grundsätzlichen Streit um das iranische Atomprogramm nichts zu tun und könnten so oder so wenig zu dessen Lösung beitragen. USA und EU wollen den Iran im Widerspruch zum Atomwaffensperrvertrag dazu zwingen, seine Uran-Anreicherung und alle damit in Zusammenhang stehenden Arbeiten zeitlich unbefristet einzustellen. Darüber hinaus soll Iran seine gesamten Vorräte an schwach angereichertem Uran vollständig abliefern. Diese rechtlich unbegründeten Forderungen, mit denen Iran einen Pariah-Status akzeptieren müsste, würden selbst dann auf dem Tisch bleiben, wenn Teheran den von der IAEA vorgeschlagenen Deal mit dem zwanzigprozentigen Uran akzeptieren würde.
Auf der Münchner Sicherheitskonferenz war es vor allem US-Senator Joseph Lieberman, der ganz offen mit „militärischen Aktionen“ gegen Iran drohte, falls „harte Wirtschaftssanktionen“ am Widerstand von Russland und China scheitern sollten. Unterdessen meldeten arabische Medien, dass zwei mit Raketen bewaffnete israelische Kriegsschiffe am Donnerstag den Suez-Kanal passiert haben und zum Persischen Golf unterwegs sind.
Knut Mellenthin
Junge Welt, 8. Februar 2010