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Dekrete am Fließband
Neuer US-Präsident erfüllt die schlimmsten Erwartungen
Donald Trump plant offenbar die Schaffung von militärisch geschützten „sicheren Zonen“ in Syrien. Das ergibt sich aus dem Entwurf einer noch nicht unterzeichneten Anweisung, der am Mittwoch von mehreren Quellen veröffentlicht wurde, denen er zugespielt worden war. Das ist zwar nicht völlig überraschend, da der neue US-Präsident es schon während des Wahlkampfs mehrfach angekündigt hatte, scheint aber den Hoffnungen zu widersprechen, dass er Konflikte mit Russland vermeiden wolle.
Die Anordnung ist an das Außenministerium und das Pentagon gerichtet. Beide werden damit aufgefordert, dem Präsidenten innerhalb von 90 Tagen einen Plan für die Einrichtung „sicherer Zonen“ nicht nur in Syrien, sondern auch in den angrenzenden Staaten vorzulegen. Diese Zonen sollen dem Dekret zufolge den Aufenthalt syrischer Flüchtlinge abschirmen. Trumps Anweisung, die noch keine definitive Entscheidung für ein militärisches Eingreifen darstellt, wurde von Katar, der Türkei und einigen Rebellengruppen begrüßt. Dagegen legte der russische Präsidentensprecher Dimitrij Peskow Wert auf die Feststellung, dass Moskau nicht vorher informiert worden sei. Es sei wichtig, „alle möglichen Konsequenzen abzuwägen“.
Die Aufforderung an die beiden Ministerien ist Teil des Entwurfs eines umfangreicheren Präsidentendekrets. Sein Titel: „Protecting the Nation from Terrorist Attacks by Foreign Nationals“. Die Anordnung sieht unter anderem auch eine zunächst 30tägige Einreisesperre für die Staatsangehörigen von sieben Ländern vor, die angeblich eine „terroristische Bedrohung“ darstellen. Neben Syrien richtet sich das gegen den Iran, Irak, Libyen, Somalia, Sudan und Jemen. Darüber hinaus wird das gesamte Programm zur Aufnahme von Flüchtlingen für 120 Tage suspendiert. Diese Zeit soll der US-Administration dazu diene, das Verfahren zu untersuchen und festzustellen, ob möglicherweise noch schärfere Überprüfungen der Antragsteller erforderlich sind, heißt es zur Begründung.
Die New York Times meldete am Donnerstag, dass im Weißen Haus auch ein weiteres Dekret in Arbeit sei. Damit soll Verteidigungsminister James N. Mattis beauftragt werden, Pläne für härtere Militärschläge gegen die Terrororganisation „Islamischer Staat“ vorzulegen. Das Blatt zitierte Aussagen anonymer Funktionäre, wonach darin auch der Einsatz US-amerikanischer Artillerie auf syrischem Boden und die Stationierung von Kampfhubschraubern zur Unterstützung einer Offensive verbündeter Rebellengruppen gegen die syrische Stadt Rakka enthalten sein könne.
Der neue Präsident hat seine erste Amtswoche hauptsächlich dem Abfassen von Dekreten, sogenannten „presidential directives“ gewidmet. Damit setzt er eine Methode seines Vorgängers fort, der mit diesem Mittel vielfach am Kongress vorbeiregierte, in dem er keine Mehrheit hatte. Trump hätte das nicht nötig, da die Republikaner zumindest in den bisher befassten Fragen hinter ihm stehen. Offenbar geht es ihm aber darum, möglichst schnell die Umsetzung seiner zentralen Wahlversprechen – in denen viele Betroffene Drohungen sehen müssen – vorzuführen.
So bestand eine seiner ersten Amtshandlungen darin, den Rückzug aus dem geplanten Handelsabkommen Trans-Pacific-Partnership (TTP) anzuordnen. Beteiligt sind außer den USA elf weitere Staaten, darunter Mexiko, Chile, Japan und Australien. Das Dekret hat keine praktischen Auswirkungen, da das von Obama eingefädelte Abkommen aufgrund der republikanischen Kongressmehrheit noch nicht ratifiziert werden konnte. Trump hat angekündigt, die TTP durch bilaterale Vereinbarungen zu ersetzen. Priorität hat für ihn offenbar Japan. Wohl nicht zufällig war Premierminister Schinzo Abe nach Trumps Wahlsieg der erste ausländische Regierungschef, mit dem er am 17. November zusammentraf. Die Verhandlungen sollen vorangetrieben werden, wenn Abe im Februar erneut nach Washington kommt.
Ein anderer zentraler Punkt von Trumps Wahlkampagne war die Ankündigung, zur Abwehr von Flüchtlingen aus dem Nachbarland Mexiko und anderen Teilen Lateinamerikas eine Grenzmauer zu bauen, deren Kosten Mexiko tragen müsse. Eine entsprechende Direktive unterschrieb Trump am Mittwoch. Praktisch hat das zunächst nicht viel mehr als den Beginn der Planung und der Verhandlungen mit Baufirmen zur Folge. Die Grenze ist 3.200 Kilometer lang und führt zum Teil über schwieriges Gelände. Die Kosten werden auf etwa 20 Milliarden Dollar, nach einigen Quellen sogar 40 Milliarden, geschätzt. Mexiko lehnt eine Beteiligung ab. Trumps Sprecher Sean Spicer kündigte am Donnerstag an, das Geld über eine 20prozentige Steuer auf alle Einfuhren aus Mexiko dennoch wieder hereinzubekommen. In einer späteren Stellungnahme wurde das als eine von mehreren Optionen abgeschwächt.
Weitere Anordnungen vervollständigen das Bild einer Politik, die sich über Humanität, soziale Interessen der US-amerikanischen Bevölkerung und Umweltschutz hinwegsetzen will. So leitete Trump mit einem Dekret die im Wahlkampf „versprochene“ Zerstörung der unter Obama einführten Gesundheitsversicherung ein. Allerdings wird die Umsetzung dieses Plans voraussichtlich viel Zeit erfordern und kompliziert sein. Die Gelder für Institutionen, die in den USA und im Ausland auf dem Gebiet der Familienplanung einschließlich der Beratung und Hilfe bei Abtreibungen aktiv sind, sollen gestrichen oder stark gekürzt werden. Zwei unter Obama gestoppte Öl-Pipeline-Projekte wurden von Trump genehmigt, was jedoch nicht alle juristischen Hindernisse mit einem Schlag beseitigt. Den über 400 Städten und Orten, die sich weigern, an der Abschiebung „krimineller“ Flüchtlinge mitzuwirken, den sogenannten „sanctuary cities“, sollen staatliche Zuschüsse gekürzt werden. Viele Bürgermeister, darunter die von New York, Boston, Los Angeles, Chicago, Seattle, San Francisco und Oakland, haben Widerstand angekündigt.
Ein in Vorbereitung befindliches Dekret soll die Wiederaufnahme des unter George W. Bush eingeführten und unter Obama beendeten „Verhörprogramms“ der CIA, das Folter einschloss, ermöglichen. In Arbeit ist auch eine Anordnung, Allen internationalen Institutionen, einschließlich der UNO, in denen die Palästinenserregierung Mitglied ist, die Zahlungen zu streichen.
Knut Mellenthin
Junge Welt, 28. Januar 2017