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Warme Hüllen für kalte Herzen
Pelze - echt totschick!
Kennen Sie "Gorki Park"? In der Schlussszene dieses Films springt und hüpft ein Zobelpärchen zu Walzerklängen pirouettendrehend durch die tief verschneite Landschaft in den schützenden Wald.
Doch traumhaft schöne Happy-Ends gibt's eben nur im Kino, die Realität ist blutig und schmerzhaft.
So blutig und ekelhaft, dass seit den 80-er Jahren der echte Pelz einen bösen Imageverlust erlitt und vom Beweis echter Damenhaftigkeit zum Beweis echter Dummheit und Ignoranz wurde.
Auch die Elite der menschlichen Kleiderstangen wollte beweisen, daß in ihren kantigen schmalen Körpern weiche, warme und mitfühlende Herzen schlagen. "Lieber nackt als im Pelz" - die Anzeigenserie ging um die Welt und jagte der Züchter-Lobby einen gehörigen Schrecken ein.
Plötzlich war fremde Kuschel-Haut nicht mehr gesellschaftsfähig, und so manches Kaninchen vertrocknete im Schrank. Kurzzeitig hat diese modische Hemmschwelle sicher so manchem Robbenbaby das Leben gerettet. Doch wer schon voller Zuversicht glaubte, es könnte sich wirklich etwas verändert haben, der hat vergessen, wie kalt es ist in unserem Land.
Noch warm gehäutet
So kalt, daß die feinen Damen es wieder schick finden, wenn Lebewesen das noch warme Fell über die Ohren gezogen wird. So kalt, daß die Herzen der schönen Models über Nacht wieder festfroren, und sie nun mit eisiger Entschlossenheit die neuesten Pelzkreationen präsentieren.
Und wenn dann so ein paar "ewig gestrige" einfach nicht begreifen wollen, dass heute wieder Luxus auf Teufel komm' raus angesagt ist, dann hagelt's Schelte von Allen Seiten; z.B. für die Gruppen von Tierfreunden, die nach wie vor mit spektakulären "Tier-Befreiungen" gegen den Strom schwimmen. So wurden beispielsweise in England vor einiger Zeit etwa 12.000 Nerze befreit; aber auch im niedersächsischen Vechta wurde etwa 4000 der kleinen marderartigen Beutegreifer "Fluchthilfe" geleistet.
Das Entsetzen über diese Aktionen war fast einstimmig, das Medien-Schauspiel so verlogen wie gelungen: Trauernde Männer mit tränenumflorter Stimme reihten traurige kleine Nerz-Leichen auf, die auf dem Weg in die Freiheit buchstäblich unter die Räder gekommen waren. Daß diese Männer gar so tierlieb nicht sind, sondern tatsächlich ihre Arbeitszeit damit verbringen, bewegungsfreudige Nagetiere in winzige Käfige zu stopfen, um sie dann nach kurzer Zeit (unbedingt noch warm!) zu häuten, das interessierte offenbar niemanden.
Leider verpassten auch manche "anerkannten" Tierschützer die eigentlich günstige Gelegenheit, wieder einmal auf die qualvollen Lebens- (und Tötungs-)bedingungen der kleinen Tiere aufmerksam zu machen.
Denn, ganz gleich wie man über die "Tierbefreier" und ihre Aktionen denkt - die wahren Tierquäler stehen auf der anderen Seite.
Zucht und Tötungsmethoden
Nerze werden erst seit knapp 100 Jahren gezüchtet. Dieser Zeitraum war entwicklungsgeschichtlich viel zu kurz, um eine Domestizierung herbeizuführen. Nerze sind auch heute keine zahm gewordenen Haustiere, sondern Wildtiere, die sich in Gefangenschaft äußerst unwohl fühlen. Sie werden aber aus Gründen der Profitmaximierung unter Extrembedingungen gehalten, die bekanntermaßen selbst für schon seit Jahrhunderten domestizierte Nutztiere wie Huhn oder Kaninchen eine schwere Quälerei darstellen: endlose Batterien von direkt nebeneinander (und manchmal sogar übereinander!) aufgestellten winzigen, kahlen Drahtkäfigen, in denen fünf oder sechs Tiere dicht an dicht hocken und sich kaum bewegen können. Der natürliche Trieb der Nerze, ein Revier zu behaupten, kann nicht ausgelebt werden und schlägt in heftige Beissereien untereinander und in Selbstverletzungen (Autoaggression) um. Der starke Bewegungsdrang der sehr agilen Tiere verwandelt sich in stereotype Aktionsmechanismen (wie z.B. dauerndes Drehen um sich selbst, heftige ruckartige Kopfbewegungen, gleichförmiges Hochspringen am Gitter) oder in Apathie. Die Nerze mit ihrem ausgeprägt feinen Geruchssinn leiden zusätzliche Qualen durch den Gestank ihrer eigenen Fäkalien. Die Gitterböden drücken sich schmerzhaft in die Fußsohlen.
Fließbandartige Tötungsmethoden
Sieben Monate dauert die Tortur, dann wird der Nerz getötet. Die dabei angewandten unterschiedlichen Verfahren zielen vor allem auf Schnelligkeit und Masse ab. Wir ersparen uns die grausamen Einzelheiten. Nur soviel muß gesagt werden: Keine der fließbandartigen Tötungsmethoden ist wirklich "sicher". Es gibt immer einen Anteil von Tieren, die nicht gleich tot sind, sondern sich noch minutenlang quälen müssen und die vielleicht noch leben, wenn ihnen das Fell abgezogen wird - denn das muß sehr schnell geschehen, solange das Tier noch "körperwarm" ist.
Die Wissenschaftler Beate Ludwig und Karl Kugelschafter, Wildbiologen an der Universität Gießen, kamen in einem Gutachten zu der Schlussfolgerung, den Nerzen würden bei der kommerziellen Haltung "erhebliche Leiden" zugefügt.
Die rot-grüne Oppositionsmehrheit im Bundesrat forderte im Juni 1992 die damalige Bundesregierung auf, die Käfighaltung und die derzeit üblichen Tötungsmethoden zu verbieten. Doch SPD und Grüne haben diese Forderung dann nicht einmal in den von ihnen regierten Bundesländern umgesetzt (lediglich in Hessen wurde die Käfighaltung von Pelztieren im November 1996 tatsächlich verboten), und auch seit dem Regierungsantritt dieser Parteien hat sich für die gequälten Kreaturen nichts geändert.
Geändert hat sich leider nur das Bewusstsein. Der zeitweilig favorisierte Kunstpelz war offenbar nicht wirklich tierfreundlich, sondern scheint sogar als "Einsteigsdroge" gewirkt zu haben. Jedenfalls ist die Pelzindustrie nach schweren Umsatz-Einbußen, die sie Ende der 70-er und Anfang der 80-er Jahre hinnehmen musste, wieder auf dem Vormarsch.
Auch Robben werden weiterhin getötet
Die früher beliebten Robbenfelle allerdings sind immer noch Ladenhüter. Die Preise sind in den Keller gegangen. Die Kühlhäuser in den nordnorwegischen Küstenstädten können die Massen an praktisch unverkäuflichen Robbenfellen schon gar nicht mehr fassen. Vom Standpunkt der Fellgewinnung aus würde sich die Robbenjagd heute wirtschaftlich nicht mehr lohnen und müsste aufgegeben werden.
Warum aber geht das entsetzliche Treiben dennoch weiter? Weil eine Reihe von Regierungen die Robbenjagd massiv subventionieren, etwa indem sie den Jägern das Robbenfleisch pro forma zu garantierten Hochpreisen abnehmen. Der offiziell verkündete Zweck der Jagd ist heute, die Zahl der Robben einzuschränken. Angeblich fressen die Robben zuviel Fisch und ruinieren damit die Fischereiwirtschaft.
Tatsächlich ist das aber nur ein Propagandamanöver, um von der maßlosen Überfischung der Meere aufgrund kommerzieller Profitgier abzulenken. Unabhängige Wissenschaftler kommen, was die Ernährung der Robben und ihren Anteil am Fischfang angeht, zu ganz anderen Schlussfolgerungen als die Regierungen, die das Robbenschlachten subventionieren.
Zwischen Ende Februar und Anfang Mai tobt in Ländern wie Kanada und Norwegen das grausame Robbenschlachten. In Kanada beispielsweise werden jedes Jahr annähernd 300.000 Tiere zum Töten freigegeben. In Norwegen sind es etwa 50.000.
Genau zu der Zeit, wenn die europäische High-Society ihre Parties von St. Moritz in die Landhäuser verlegt und die Pelzmäntel in den Schränken verschwinden - beginnt für viele Tiere ein entsetzliches Martyrium: Die Robben, insbesondere zigtausende Jungtiere, werden auf unbeschreiblich brutale Weise erschlagen und halb oder gar nicht betäubt auch schon abgehäutet. Das Erschießen ist kaum weniger grausam, weil viele Tiere nur verletzt werden, abtauchen, und dann in tagelangen Qualen elend sterben oder unter Wasser verbluten und ersticken, weil ihnen die Kraft zum Wiederauftauchen fehlt.
Wiederaufgetaucht hingegen ist eine "Mode", die hierzulande eigentlich seit der Zeit des Neanderthalers keine praktische Bedeutung mehr hat. Ob Nerze, Robben, Chinchillas, Kaninchen und so viele andere - ja selbst Hunde und Katzen - sie alle leiden und sterben elend und qualvoll, nur damit fehlende Warmherzigkeit mit Pelzen überdeckt werden kann.
Eileen Heerdegen
"Tierschutz!"- Bürger gegen Tierversuche, Nr. 2/00