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Der Pelzskandal
Katzen und Hunde bestialisch abgeschlachtet
In der hintersten Ecke eines Käfigs sitzen zwei kleine Katerchen. Stumm vor Angst halten sie sich aneinander fest. Die Pfötchen umeinander geschlungen, als könnten sie sich gegenseitig schützen vor dem Grauen, das sich vor ihren schreckgeweiteten Augen abspielt.
Sie sitzen eingepfercht zwischen vielen Artgenossen: Schwarze, weiße, gefleckte und getigerte, die klagende Angstlaute von sich geben, oder auch apathisch ihres Schicksals harren. Allmählich lichtet sich das große Gedränge um sie herum. Ein Tier nach dem anderen wird per Drahtschlinge an den oberen Käfigrand gezogen und sehr langsam, sehr qualvoll erwürgt. Die beiden Kleinen aus der Ecke kommen zuletzt. Man muß sie regelrecht auseinanderschlagen, um sie einzeln auf ihren letzten Weg zu zwingen.
Die Bilder des SAT1-Films von Manfred Karremann waren so grauenhaft, daß mancher unvorbereitete Fernsehzuschauer, stumm vor Entsetzen, nicht einmal mehr die Kraft zum hemmungslosen Losheulen fand. Umso größer wird der Schock, wenn man erfährt, daß die "Reste" dieser Lebewesen, oft falsch oder gar nicht deklariert, als modisches Accessoire oder scheinbar harmloses Plüsch-Spielzeug in so manchem deutschen Haushalt zu finden sind.
Katzen und Hunde werden in asiatischen Ländern bestialisch zu Tode gefoltert, um sie auf dem amerikanischen und vor allem auch europäischen Markt, vielfach als Billig-Produkte, den meist ahnungslosen Verbrauchern zu verkaufen.
Im Gegensatz zu Rinder- oder Schweineleder sind die Häute dieser Tiere kein "Abfallprodukt" der Fleischwirtschaft. Die dort verarbeiteten Tiere stammen fast ausnahmslos aus Ländern oder Landesteilen, in denen der Verzehr von Hunden oder Katzen nicht üblich ist.
Bei den Katzen handelt es sich oft um gestohlene Haustiere, die Hunde werden unter erbärmlichsten Bedingungen ausschließlich zur Fell- und Lederproduktion gezüchtet. Sie leben quasi in Schlachthäusern, die Welpen wachsen inmitten blutiger, gehäuteter Hundebälger heran. Die panische Angst der Kleinen, die trostlose Hoffnungslosigkeit in den Augen der erwachsenen Tiere, zeigen deutlich, wie sehr diese intelligenten Lebewesen leiden und wie genau sie wahrnehmen, was um sie herum geschieht. Gerade eben so gut behandelt und ernährt, daß Haut und Fell keinen sichtbaren Schaden nehmen, werden sie irgendwann bei lebendigem Leibe abgeschlachtet. Mit dem Messer in die Leiste gestochen, bis sie langsam verbluten. Die schrecklichen Todesschreie, die langsam in ein fast menschenähnliches Weinen übergehen, bis sie langsam verebben, scheinen ihre Peiniger nicht zu beeindrucken.
Und doch sollte man diesen Menschen nicht den Hauptvorwurf machen. Diese "Arbeit" ist für sie oft die einzige Möglichkeit, selbst zu überleben. Sie leben unter kaum besseren Bedingungen als die Tiere, und letztendlich - sie profitieren von dem ganzen Elend weitaus weniger als wir.
Noch zu Zeiten unserer Großeltern gab es die "Sonntagsschuhe" - gute Lederware, von der man nur ein, höchstens zwei Paare besaß. Heute kann sich selbst ein Kleinverdiener viele modische Stiefel, Taschen, Gürtel oder Handschuhe leisten - jedes Jahr neu, alles "Echt Leder" und trotzdem so günstig. Selbst Pelzmäntel sind erschwinglich und Kleidungsstücke mit Fellbesätzen gar so erstaunlich billig, daß man geneigt ist, den echten Pelz für billige Kunstfaser zu halten, und sich keine Gedanken mehr über die Herkunft macht.
Und eigentlich wissen wir doch alle ganz genau, daß weder Kaufhäuser noch Handelsketten irgendetwas zu verschenken haben. Irgendeiner zahlt immer den wahren Preis für das vermeintliche "Schnäppchen". In diesem Falle wieder einmal die Tiere.
Ist uns der alltägliche "Luxus" wirklich so zur Gewohnheit geworden, scheint er uns so unverzichtbar - daß wir das Elend übersehen können?
Die Industrie weiß genau, daß die meisten Menschen unseres Kulturkreises weder Fell noch Leder von Katzen oder Hunden kaufen würden. Pelz wird eingefärbt, geschoren oder mit Phantasienamen deklariert, so daß das Produkt kaum eine Erinnerung an das ursprüngliche Tier zuläßt. Katzenfelle werden als "Lipi" oder "Genotte" bezeichnet, "Gae (-Wolf)" ist nichts anderes als eine koreanische Bezeichnung für Haushunde. Manche Felle werden auch direkt falsch deklariert, z.B. als Waschbär oder Kojote. Stichproben des Hamburger Tierschuzvereins in einigen Warenhäusern haben ergeben, daß gerade bei modischen Winterjacken, Parkas und Anoraks zwar Stoff und Futtermaterial ausgewiesen sind, die Herkunft des verwendeten Fellbesatzes aber verschwiegen wird.
Doch selbst Mitmenschen, die aus Tierliebe "bewußt" einkaufen wollen und beispielsweise auf Pelze und Fellbesätze gänzlich verzichten, sind kaum davor geschützt, ahnungslos Produkte aus asiatischen Katzen- und Hundeschlächtereien zu erwerben. So gibt es Hundespielzeug aus Hundeleder, und kleine Katzenfiguren, die mit dem Fell dieser erbarmungswürdigen Kreaturen bezogen sind und für Pfennig-Beträge verschleudert werden. Hundeleder wird außerdem z.B. auch für Schuh-Innenfutter, Taschen und Golf-handschuhe verwendet.
Gleich nachdem wir Kenntnis von diesen entsetzlichen Vorgängen erhalten haben, hat der Hamburger Tierschutzverein spontan eine große Flugblatt-Aktion in den zentralen Hamburger Einkaufszentren initiiert. Trotz der unangenehmen naßkalten Witterung an diesem 3. Advents-Sonnabend hat sich eine ansehnliche Anzahl von Mitgliedern am Verteilen der Informationsblätter beteiligt.
Daß Tierschutz leider immer noch kein "Selbstgänger" ist, daß eine ganze Reihe von Mitbürgern uninteressiert, ablehnend, ja sogar aggressiv reagierte, (und das kurz vor dem "Fest der Liebe") hat uns doch erschüttert. Doch glücklicherweise gab es auch viel Hoffnung: Gute Gespräche mit ernsthaft interessierten und bewegten Menschen. Besonders erfreulich war die große Zahl an Jugendlichen, die dem Thema offenbar sehr aufgeschlossen gegenüber standen. Alles in allem eine erfolgreiche Aktion, die hoffentlich dazu beitragen kann, die Situation dieser armen Tiere zu verändern.
Die Verbraucher könnten diesem entsetzlichen Morden Einhalt gebieten, wenn sie bewußt auf den Kauf entsprechender Produkte verzichten würden. Dafür aber ist eine eindeutige Deklaration unverzichtbar. Wir fordern daher Handelsorganisationen, Kauf- und Versandhäuser auf, die Herkunft ihres Angebots genau zu prüfen, die Ware entsprechend auszuzeichnen und auf Produkte aus Katzen- bzw. Hundefell/Leder ganz zu verzichten. Weiterhin fordern wir die Bundesregierung auf, eine Deklarationspflicht zu verordnen und den Import dieser tierquälerischen Produkte zu verbieten. Wir haben Briefe mit unseren Forderungen an die entsprechenden Stellen versandt und werden in der nächsten "ich & du" über die Reaktionen berichten.
Bitte helfen auch Sie mit, weiteres Elend zu verhindern. Vermeiden Sie den Kauf von unzureichend deklarierten Produkten, verzichten Sie am besten ganz auf Pelze oder Fellbesätze und scheuen Sie sich nicht, nach der Herkunft von Lederwaren zu fragen.
Eileen Heerdegen
ich & du, Nr. 1/99