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Welche Rolle will die EU in Somalia spielen?
Eine internationale Militärintervention in Somalia ist einen Schritt näher gerückt. Am Montag beschlossen die Afrikanische Union (53 Mitgliedsstaaten) und das nordostafrikanische Regionalbündnis IGAD (Intergovernmental Authority on Development) in der äthiopischen Hauptstadt Addis Abeba, eine gemeinsame Untersuchungskommission nach Somalia zu schicken. Sie soll die Bedingungen für die Entsendung von "Friedenstruppen" prüfen. Zu ihren Aufgaben gehört unter anderem die Einschätzung, wie viele Soldaten benötigt werden, wo sie stationiert werden könnten und wie ihr Mandat aussehen sollte.
Auffallend ist, dass an dem Treffen in Addis Abeba eine Delegation der Europäischen Union teilnahm. Die AU hob die Übereinstimmung mit den europäischen Diplomaten hervor. Wieweit die EU tatsächlich aktiv an dem Beschluss mitgewirkt hat, eine Militärintervention in Somalia anzuschieben, ist bisher nicht bekannt. EU-Delegationsleiter Tim Clarke jedenfalls hatte während der Sitzung die politische Lage in Somalia in schwärzesten Farben gemalt und dringenden Handlungsbedarf der internationalen Gemeinschaft beschworen. Clarke rechtfertigte den Beschluss, eine Vorbereitungskommission nach Somalia zu schicken, und merkte lediglich an, er hoffe, dies werde in Somalia nicht als Angriff empfunden.
Genau das ist aber der Fall. Eine internationale Militärintervention - und schon die Diskussion um dieses Thema - droht Somalia erneut in einen jahrelangen Krieg zu stürzen. Das zu einem Zeitpunkt, wo nach dem Sieg der islamischen Milizen über die Warlords erstmals seit 1991 Chancen für eine friedliche Entwicklung des Landes bestehen. Die Union der Islamischen Gerichte (ICU) lehnt nach den verheerenden Erfahrungen der UNO-Mission in den 90er Jahren den Einsatz ausländischer Soldaten ab. Befürwortet wird eine Militärintervention hingegen von der machtlosen Übergangsregierung, die in der Provinzstadt Baidoa residiert und unter dem Einfluss des Nachbarstaates Äthiopien steht.
Offensichtlich ermutigt durch die ausländische Unterstützung hat Übergangspräsident Abdullahi Jusuf der ICU jetzt drei Vorbedingungen für Verhandlungen gestellt: 1. Die islamischen Milizen müssen, mit Ausnahme der Hauptstadt Mogadischu, alle Städte wieder räumen, die sie gerade eben den Warlords entrissen haben. 2. Die ICU muss die Übergangsregierung anerkennen. 3. Die islamischen Milizen müssen ihre Waffen abgeben. Ohne massive ausländische Militärhilfe könnte das Baidoa-Regime keine dieser Forderungen durchsetzen, die dem derzeitigen Kräfteverhältnis völlig widersprechen. Die ICU hat ihrerseits erklärt, dass sie nicht mit der Übergangsregierung verhandelt wird, solange diese an ihrer Forderung nach einer Militärintervention festhält.
Neben Äthiopien dem Schutzpatron des Baidoa-Regimes, hat auch der Sudan, in dem schon seit Jahrzehnten ein Bürgerkrieg tobt, sofort sein Interesse bekundet, Soldaten nach Somalia zu schicken.
Knut Mellenthin
Junge Welt, 21. Juni 2006