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Viel Welt, wenig Somalis
Unter breiter Beteiligung der „internationalen Gemeinschaft“ hat am Dienstag und Mittwoch eine von der UNO einberufene Somalia-Konferenz in der kenianischen Hauptstadt Nairobi stattgefunden. Vertreten waren neben den Vereinten Nationen auch die Afrikanische Union, die EU, die nordostafrikanische Regionalorganisation IGAD, die Arabische Liga und der Dachverband der islamischen Staaten (OIC).
Dagegen war die Beteiligung aus Somalia selbst eher unrepräsentativ. Die islamisch-fundamentalistische Al-Schabab, die mehr als die Hälfte des Landes, darunter auch große Teile der Hauptstadt Mogadischu, beherrscht, war gar nicht erst eingeladen worden. Die von der UNO vor über sieben Jahren eingesetzte, nicht durch Wahlen legitimierte Übergangsregierung (TFG) hatte zum Boykott des Treffens in Nairobi aufgerufen. Begründung: Es diene der Verschärfung der Konfrontation zwischen den somalischen Fraktionen und der Demontage der Übergangsinstitutionen. Das ebenfalls seit über sieben Jahren ohne Wahl amtierende Parlament hatte sich nicht zu einer Entscheidung durchringen könnten. Zwar hatten rund 100 Abgeordnete – von insgesamt 550 – eine Stellungnahme gegen die Nairobi-Konferenz unterzeichnet, aber es hatte keine Abstimmung darüber stattgefunden. Parlamentssprecher Sharif Hassan Sheik Aden, der ohnehin im Dauerstreit mit der Übergangsregierung und dem – gleichfalls nicht demokratisch legitimierten – Präsidenten liegt, nahm mit einer kleinen Gruppe von Abgeordneten an der Konferenz teil. Nach unbestätigten Meldungen soll die TFG deswegen einen Haftbefehl gegen ihn erlassen haben. Das Bündnis Ahlu Sunna, dessen Milizen die Hauptkraft im Kampf gegen Al-Schabab sind, war mit einer Delegation in Nairobi präsent, während ein anderer Flügel zum Boykott aufgerufen hatte.
Von den staatsähnlichen, aber international nicht anerkannten Strukturen auf somalischem Boden waren Puntland und Galmudug durch ihre Präsidenten auf der Konferenz vertreten. Beide Territorien definieren sich offiziell als Teil eines neu zu konstruierenden förderativen Somalia. Puntlands Präsident bezeichnete seinen Machtbereich in Nairobi sogar als „Vorbild“ für das ganze Land und lud zu einer „Versöhnungskonferenz“ in seiner Hauptstadt ein. Dagegen hatte Somaliland, das grundsätzlich auf Eigenstaatlichkeit besteht, die Einladung nach Kenia ausgeschlagen.
Formal betrachtet diente das Treffen in Nairobi nur der Beratung, konnte also keine verbindlichen Beschlüsse fassen. Unter den „Empfehlungen“ der Abschlusserklärung sticht die Verlängerung der Amtszeit des Parlaments um zwei Jahre hervor. Regulär sind alle Übergangsinstitutionen nur noch bis August im Amt, sodass eigentlich im Juli erstmals Wahlen fällig wären. Das Parlament hatte sich indessen schon Anfang Februar eigenmächtig eine dreijährige Nachspielzeit genehmigt, war damit aber bei der „internationalen Gemeinschaft“ auf Kritik gestoßen. Die „Empfehlung“ von Nairobi scheint einen Kompromiss darzustellen.
Gleichzeitig unterstützte die Konferenz die Forderung des Parlaments, dass der Präsident und die Übergangsregierung spätestens im August neu gewählt werden müssen. Zuständig dafür ist das Parlament, das auch schon eine Wahlkommission eingesetzt hat.
Weniger zufrieden werden viele Abgeordnete mit der „Empfehlung“ aus Nairobi sein, das Parlament zu „reformieren“. Hauptsächlich bedeutet das wohl eine Beteiligung von Ahlu Sunna, die ihr schon im Frühjahr 2010 versprochen worden war. Das könnte aber für etliche bisherige Abgeordnete bedeuten, dass sie ihren Platz räumen müssen.
Knut Mellenthin
Junge Welt, 15. April 2011