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US-Amerikaner statt Kanadier
Wieder ein Mann aus dem Exil als neuer Premierminister Somalias
Der nächste Chef der somalischen Übergangsregierung besitzt die Staatsbürgerschaft der USA. Sein Vorgänger hatte einen kanadischen Pass. Am Donnerstag wurde der 48jährige Mohamed Abdullahi Mohamed von Präsident Scheikh Scharif Ahmed als neuer Premierminister nominiert. Er soll Omar Abdiraschid Scharmake ersetzen, der am 21. September nach monatelangen Streitigkeiten mit dem Präsidenten zurücktrat. Der in Kanada akademisch ausgebildete Scharmake, dessen Familie in den USA lebt, war am 14. Februar 2009 vom somalischen Übergangsparlament mit 414 gegen 9 Stimmen gewählt worden. Genau wie jetzt sein Nachfolger war er von westlichen Mainstream-Medien mit großen Vorschusslorbeeren bedacht worden. Dass er hauptsächlich im Ausland gearbeitet hatte, unter anderem für die UNO im Sudan, und kaum in Somalia gelebt hatte, wurde als großer Vorteil beschrieben, da er auf diese Weise nicht in die inneren Konflikte des Landes verwickelt sei.
Den gleichen angeblichen Vorzug weist auch der jetzt nominierte, in Somalia bisher kaum bekannte Mohamed auf. Er hat an der Staatsuniversität von New York in Buffalo sein Masterdiplom gemacht, war 1985 bis 1988 an der somalischen Botschaft in Washington als Finanzfachmann beschäftigt und hat anschließend im Erziehungssektor der USA gearbeitet. Seine Themen waren dort, neben dem Finanzwesen, Führungsmanagement und Konfliktlösung.
Dass Mohamed aufgrund seiner Biographie nicht von den Clan-Konflikten Somalias belastet sei, ist indessen ein Trugschluss. Da Präsident Ahmed zum Hawije-Clan gehört, muss der neue Premier, ebenso wie sein Vorgänger, dem zweiten großen Clan des Landes, den Darod, angehören. Diese leben hauptsächlich im Norden Somalias und dominieren den Separatistenstaat Puntland. Darod gibt es aber auch in anderen Landesteilen. Die Familie des in Mogadischu geborenen Mohamed stammt aus der Region Gedo im Süden Somalias. Dieses Gebiet wird derzeit überwiegend von der islamistischen Al-Schabab beherrscht.
Der nominierte neue Premier muss sich innerhalb von 30 Tagen einem Votum des Parlaments stellen. Somalische Medien gehen davon aus, dass die Abstimmung nur eine Formsache sein werde, da sich Präsident Ahmed vor seiner Entscheidung wahrscheinlich die Zustimmung aller maßgeblichen politischen Kreise geholt habe. Es wird damit gerechnet, dass Mohamed nach seiner Bestätigung durch die Abgeordneten ein deutlich kleineres Kabinett als sein Vorgänger präsentieren wird. Indessen bleibt auch der neue Mann an den in der Verfassung festgelegten Proporz zwischen den größeren und kleineren Clans des Landes gebunden. In einer ersten Stellungnahme hat Mohamed angekündigt, dass er die Versöhnung mit den Islamisten anstrebe, aber sie bekämpfen werde, falls sie dazu nicht bereit sind. Das überraschte niemand, da sich sein Vorgänger Scharmake im Februar 2009 ganz genauso eingeführt hatte.
Indessen ist es in der Region Galguduud, 500 Kilometer nördlich der Hauptstadt Mogadischu, zu schweren Kämpfen gekommen. Die mit der Übergangsregierung verbündete Ahlu Sunna griff Stützpunkte der örtlichen Verwaltung im Distrikt Adado an, die gleichfalls auf Seiten der Regierung steht. Al-Schabab nutzte die Gelegenheit, um die bisher von Ahlu Sunna kontrollierte Stadt Dusomareb zu besetzen, zog sich aber nach fünf Stunden wieder zurück.
Die Klärung des oft problematischen Verhältnisses zwischen der Regierung und Ahlu Sunna wird zu den ersten Aufgaben des neuen Premiers gehören. Ahlu Sunna drängt darauf, dass eine stärkere Beteiligung an der Regierung, die ihr schon im Frühjahr versprochen wurde, endlich realisiert wird.
Knut Mellenthin
Junge Welt, 18. Oktober 2010