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UNO gibt Weg für Militäraktionen in Somalia frei
Seit dem 16. Dezember kann die internationale Piratenbekämpfung rund ums Horn von Afrika auch auf dem somalischen Festland stattfinden. Einen entsprechenden Beschluss, der von den USA beantragt worden war, fassten die 15 Mitglieder des UN-Sicherheitsrats am Dienstagnachmittag (New Yorker Ortszeit) einstimmig. US-Außenministerin Condoleezza Rice, die an der Sitzung teilnahm, machte deutlich, dass ihre Regierung die Entscheidung als Teilerfolg auf dem Weg zu einer internationalen Militärintervention in Somalia sieht. Rice forderte ausdrücklich den baldigen Einsatz einer UN-Friedenstruppe und wurde dabei vom Generalsekretär der Vereinten Nationen, Ban Ki-Moon, sowie vom Vertreter der Afrikanischen Union (AU), der Dachorganisation aller Staaten des Kontinents, unterstützt.
Die Resolution 1851 besagt in Punkt 6, dass für einen Zeitraum von zwölf Monaten alle an der Piratenjagd beteiligten Staaten berechtigt sind, „in Somalia zum Zweck der Unterdrückung von Akten der Piraterie und bewaffneten Raubes auf See alle notwendigen und angemessenen Maßnahmen zu unternehmen“. Die Formulierung des ursprünglichen US-amerikanischen Entwurfs – an Land (ashore) und im Luftraum darüber – wurde fallengelassen, ist aber mit dem verabschiedeten Text selbstverständlich impliziert. Eine entsprechende Erlaubnis für internationale Militäraktionen galt bisher schon in den somalischen Territorialgewässern.
Voraussetzung dafür, wie auch für die mit der neuen Resolution verbundene Ausweitung, ist die Zustimmung der somalischen „Übergangsregierung“, die im aktuellen Fall mit einem Schreiben vom 9. Dezember erteilt wurde. Es handelt sich also, formal gesehen, nicht um einen Eingriff in die Souveränität Somalias, wie in der Resolution hervorgehoben wird. Ferner steht dort, dass es sich um eine ausschließlich auf Somalia bezogene Sonderregelung handelt, durch die kein internationales Gewohnheitsrecht begründet wird. Auf diese Klarstellung hatte besonders Indonesien bestanden, das selbst, wenn auch in geringerem Ausmaß, mit Piraterie konfrontiert ist. Die „Übergangsregierung“ ist allerdings keine gewählte Institution, sie ist politisch nahezu bedeutungslos und sie wird derzeit durch zwei rivalisierende Premierminister repräsentiert. Einig sind sich alle Politiker der „Übergangsregierung“ nur in ihrem Streben, möglichst schnell eine internationale Militärintervention herbeizuführen, da sie darin die einzige Chance für ihren Machterhalt sehen.
Der Antrag der Bundesregierung zur deutschen Beteiligung an der maritimen EU-Operation Atalanta, über den der Bundestag am Freitag abzustimmen hat, erlaubt offenbar auch Landoperationen. Das Einsatzgebiet ist nicht definiert, sondern kann – sofern die betroffenen Regierungen zustimmen – jederzeit auf "angrenzende Räume und Hoheitsgebiete anderer Staaten" ausgedehnt werden. Im Punkt 3 ("Auftrag") wird unter anderem genannt: "Aufgreifen, Festhalten und Überstellen von Personen, die im Verdacht stehen, seeräuberische Handlungen oder bewaffnete Raubüberfälle begangen zu haben". Damit könnten ganz bequem auch militärisch gestützte Polizeiaktionen an Land begründet werden. Ungewöhnlich ist, dass der Antragstext unter Punkt 8 ("Personaleinsatz") völlig unpräzise nur von "1400 Soldatinnen und Soldaten" als Obergrenze spricht, ohne diese nach Aufgaben und Waffengattung zu spezifizieren. Es können also neben der Marine auch andere Kräfte eingesetzt werden.
Knut Mellenthin
Junge Welt, 18. Dezember 2008