KNUT MELLENTHIN

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Unklarheit über US-Militärschläge

EU-Soldaten nach Somalia?

Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen hat Mittwochnacht einen Bericht des US-Vertreters über die amerikanischen Militäraktionen in Somalia kommentarlos und ohne Nachfragen zur Kenntnis genommen. Auch Russland und China finden am Vorgehen der USA offenbar ebenso wenig auszusetzen wie an der massiven äthiopischen Militärintervention und Einmischung.

Bisher gibt es weder über Zahl und Umfang der amerikanischen Militärschläge noch über Ziele und Opfer zuverlässige Informationen. Pentagon-Sprecher Bryan Whitman hat lediglich einen Angriff in der Nacht von Sonntag auf Montag bestätigt, der sich gegen "al-Kaida-Führer" gerichtet habe. Zu weiteren Luftangriffen auf südsomalische Ziele am Montag, Dienstag und Mittwoch, die durch Augenzeugen und somalische Parlamentarier bestätigt sind, gibt es keinen amtlichen Kommentar aus Washington. Inoffiziell verlautet, es könne sich dabei um Aktionen der Äthiopier gehandelt haben.

Widersprüchlich sind auch die Angaben über die Zahl der Opfer. Aus Augenzeugenberichten ergibt sich, dass insgesamt 50 bis 100 Menschen getötet wurden, darunter viele Zivilisten. Amerikanische Stellen haben inzwischen zugegeben, dass keiner der von den USA gesuchten "führenden al-Kaida-Terroristen" unter den Opfern ist.. Die Aussagen, auf wen die Amerikaner es eigentlich abgesehen hatten, widersprechen sich. Aus den Berichten ergibt sich jedoch, dass sich die Luftangriffe der vergangenen Tage gegen Militärkonvoys der UIC (Union der Islamischen Gerichte) richteten und dass eine Reihe von UIC-Führern auf der Liste der amerikanischen "legitimen Ziele" stehen.

Nicht dementiert wurden in Washington Meldungen, dass bereits Angehörige amerikanischer Spezialeinheiten in Südsomalia im Einsatz sind, um das Vorgehen der Äthiopier gegen die UIC-Milizen zu leiten. Der stellvertretende Ministerpräsident der "Übergangsregierung", Hussein Aidid, hat sich offen für die Intervention von US-Truppen ausgesprochen: "Der einzige Weg um die überlebenden al-Kaida-Terroristen zu töten oder gefangen zu nehmen, besteht im Einsatz amerikanischer Spezialeinheiten auf dem Boden."

Hussein Aidid ist ein Sohn des Warlords Mohamed Farah Aidid, gegen den die USA 1993 während der UNO-Intervention die legendäre Niederlage erlitten, die im Film "Black Hawk" verewigt wurde. Hussein Aidid selbst ist in den USA aufgewachsen und hat bei den Marines gedient.

Unterdessen hat Javier Solana, der Chef-Außenpolitiker der EU, mehrmals den Einsatz einer UNO-"Friedenstruppe" ins Gespräch gebracht. Bisher hat der Sicherheitsrat mit einer am 6. Dezember angenommenen Resolution nur grünes Licht für eine "Stabilisierungstruppe" der Afrikanischen Union gegeben. Außer aus Uganda und Nigeria gibt es für diese aber noch keine Zusagen. Zusammen könnte es sich dabei höchstens um 3.000 Mann handeln - viel zu wenig, um die mehr als 10.000 äthiopischen Besatzungssoldaten zu ersetzen, die sich zur Zeit in Somalia befinden. Darüber hinaus ist ungewiss, wann die Stationierung beginnen könne.

Solanas Drängen setzt die Bereitschaft und das Interesse der EU-Vormächte voraus, eigene Soldaten nach Somalia zu schicken. Öffentlich diskutiert wurde darüber jedoch bisher noch nicht. Die US-Regierung scheint über die geplante Einmischung der Europäer nicht gerade begeistert. Das sei "eine interessante Idee", sagten Regierungssprecher, "aber nur eine unter vielen, die jetzt diskutiert werden".

Knut Mellenthin

Junge Welt, 12. Januar 2007