KNUT MELLENTHIN

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UFOS über Somalia

Meldungen über eine Ausweitung des „Kriegs gegen den Terror“ auf Nordostafrika können stimmen oder auch nicht.

Das US-Militär soll vor einer Woche erstmals ein Ziel in Somalia mit einer Drohne angegriffen haben, meldete die Washington Post am Donnerstag. Der unbemannte, ferngesteuerte Flugkörper habe Raketen auf einen Fahrzeug-Konvoi der militanten islamistischen Al-Schabab abgefeuert. Zwei führende Mitglieder der Organisation seien bei dem Überfall, der nahe der südsomalischen Hafenstadt Kismajo stattgefunden habe, verletzt worden. Damit sei nun Somalia neben Afghanistan, Pakistan, Libyen, Irak und Jemen das sechste Land, in dem die USA Drohnen für tödliche Angriffe einsetzen, schrieb die als seriös und angesehen geltende Tageszeitung. Aber stimmt die Geschichte wirklich?

Offenbar beruht die Erzählung der Autoren Greg Jaffe und Karen De Young nur auf Aussagen eines einzigen anonymen Informanten, der als ein US-Militärangehöriger höheren Ranges bezeichnet wird. Ebenso anonym bleibt „ein Al-Schabab-Führer“, der den Zwischenfall und die Verletzung von zwei Kämpfern bestätigt haben soll. Über den Angriff auf einen Konvoi in dem von den Islamisten kontrollierten Gebiet hatten die somalischen Medien schon in der vorigen Woche berichtet. Allerdings war dabei nicht von einer Drohne, sondern von einem Hubschrauber unbekannter Herkunft die Rede gewesen. Mindestens 15 Al-Schabab-Mitglieder, darunter acht Ausländer, seien bei diesem Zwischenfall getötet worden. Das allerdings war eine durch nichts bewiesene Behauptung der sogenannten Übergangsregierung, deren Macht nicht wesentlich über einige Bezirke der Hauptstadt Mogadischu hinausreicht.

Grund zum Misstrauen gibt auch die Tatsache, dass die Autoren der Washington Post ihre Geschichte mit Fabeln über die „Verbindungen“ zwischen Al-Schabab und Al-Qaida ausschmückten. Zudem wurden den beiden angeblichen Verletzten „direkte Beziehungen“ zu dem in den USA geborenen und aufgewachsenen islamischen Kleriker Anwar al-Aulaqi angedichtet. Er soll sich im Jemen aufhalten und steht auf der Todesliste der US-Regierung ganz weit oben, obwohl weitgehend unklar ist, was ihm außer Aufrufen zur Gewalt konkret vorgeworfen wird. Jaffe und De Young zufolge habe sich Washington zu dem Drohneneinsatz in Somalia entschlossen, weil nachrichtendienstliche Erkenntnisse vorlägen, dass Al-Schabab „ihre Ziele und Operationen ausgeweitet“ habe und Anschläge in den USA plane.

Das ist indessen sehr unwahrscheinlich, angefangen bei dem Umstand, dass Al-Schabab keine Terrororganisation ist, sondern einen auf Somalia beschränkten konventionellen Bürgerkrieg führt, in dem sie recht erfolgreich ist. In weiten Teilen des Landes haben die Islamisten eine stabile Verwaltung eingerichtet, und ungefähr die Hälfte der Hauptstadt befindet sich in der Hand ihrer Kämpfer. Anschläge spielen in ihren Aktivitäten nur eine minimale Rolle. Ihre einzige Operation im Ausland waren im Juli 2010 zwei Bombenattentate in der ugandischen Hauptstadt Kampala. Sie wurden damit begründet, dass Uganda das stärkste Kontingent der in Mogadischu stationierten afrikanischen Interventionstruppe stellt.

Nicht vertrauenserweckend ist außerdem, dass Jaffe und De Young eine Geschichte mit ähnlichem Inhalt auch schon am 12. April 2009 in der Washington Post hatten. Damals ging es um genau die gleichen Vorwürfe gegen Al-Schabab und um angebliche Diskussionen in der US-Regierung über „präventive Angriffe“ gegen Militärlager der Islamisten. Die aktuelle Meldung über einen Drohnenangriff in der vorigen Woche kann trotzdem stimmen. Konkrete Anhaltspunkte gibt es dafür jedoch bisher nicht.

Knut Mellenthin

Junge Welt, 2. Juli 2011