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Übergang geht weiter
Nicht gewählte Regierungspolitiker Somalias verlängern ihre eigene Amtszeit
Der Streit um die Zukunft der somalischen Übergangsregierung scheint vorerst gelöst. Nach mehrtägigen Verhandlungen in der ugandischen Hauptstadt Kampala unterschrieben Somalias Präsident Scheikh Scharif Ahmed und Parlamentssprecher Scharif Hassan am Donnerstag voriger Woche ein Kompromissabkommen, das beide im Amt belässt. Opfer der Einigung, die unter dem Patronat des ugandischen Präsidenten Joweri Museveni zustande kam, ist Premierminister Mohammed Abdullahi Mohammed, in Somalia bekannter unter dem Namen Farmajo. Er war erst seit Oktober 2010 im Amt. Hunderte wütender Anhänger Farmajos demonstrierten nach Bekanntwerden der Einigung in Mogadischu und legten Feuer in einem Hotel, das Abgeordneten während ihrer kurzen Anwesenheiten in der Hauptstadt als Quartier dient. Viele Parlamentarier leben mit ihren Familien im Ausland und lassen sich nur zu wichtigen Sitzungen einfliegen.
Die Besetzung aller Übergangsinstitutionen, einschließlich des Parlaments, wurde im Jahr 2004 im Verlauf einer monatelangen Konferenz im benachbarten Kenia zwischen den damaligen Machthabern, Warlords und Clanchefs aufgehandelt. Die UNO und die Afrikanische Union standen bei diesen Verhandlungen Pate und sicherten die internationale Anerkennung der Übergangsregierung. Wahlen hat es bis heute nicht gegeben, weder demokratische noch manipulierte. Sie sollten aber, so wurde 2004 vereinbart, nach Ablauf der sogenannten Übergangsperiode stattfinden. Diese müsste, nach einer 2008 vereinbarten Verschiebung, nunmehr definitiv am 20. August enden.
Was danach kommen soll, wissen allerdings auch die internationalen Unterstützer und Geldgeber der Übergangsregierung nicht. Niemand hat bisher vorgeschlagen, in nächster Zeit landesweite freie Wahlen durchzuführen. Erstens wäre das in dem Land mit rund einem Dutzend weitgehend autonomer Regionen und fehlender Zentralmacht – die Übergangsregierung beherrscht lediglich die Hauptstadt und selbst das nur zur Hälfte – technisch unmöglich. Außerdem wären die voraussichtlichen Ergebnisse angesichts der Stärke der Islamisten in weiten Landesteilen politisch unerwünscht.
Vor diesem Hintergrund hatte das Parlament schon im Februar nahezu einstimmig beschlossen, seine Amtszeit um drei Jahre zu verlängern. Gleichzeitig verlangten die Abgeordnete jedoch die Neuwahl des Präsidenten und des Premierministers noch vor Ablauf der Übergangsperiode. Gemeint war selbstverständlich eine Wahl durch das Parlament, nicht durch die Bevölkerung. Dagegen forderten die beiden Politiker ein Jahr Aufschub. Das wurde von Museveni, dessen Streitkräfte das größte Kontingent in der in Mogadischu stationierten Friedenstruppe stellen, mit Argumenten der Stabilität unterstützt. Das Kampala-Abkommen sieht nun vor, die Neuwahl des Präsidenten und des Parlamentssprechers auf August 2012 zu verschieben. Auf der Strecke bleibt nur Farmajo.
Knut Mellenthin
Junge Welt, 14. Juni 2011