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Strategie der Unvernunft
UN-Sicherheitsrat will noch mehr ausländische Soldaten nach Somalia schicken lassen.
Kurz vor Weihnachten hat der UN-Sicherheitsrat alle Mitgliedstaaten dazu aufgerufen, durch Finanzmittel und militärische Ausrüstung die Verstärkung der in Somalia stationierten afrikanischen „Friedenstruppe“ AMISOM um 4000 Mann zu unterstützen. Das wäre eine Erhöhung der Obergrenze von derzeit 8.000 auf 12.000 Soldaten. Tatsächlich hat die Truppe derzeit aber nur eine Stärke von etwas über 7.000 Mann, die sich ungefähr aus 60 Prozent Ugandern und 40 Prozent Soldaten aus Burundi zusammensetzen.
AMISOM ist keine UN-Blauhelmtruppe und hat auch kein Mandat des Sicherheitsrates, sondern nur dessen Zustimmung und Unterstützung. Geschaffen wurde sie im Dezember 2006 durch die Afrikanische Union, die Dachorganisation der Staaten des Kontinents. Die „Friedenstruppe“ ist nur in der Hauptstadt Mogadischu stationiert. Ihr Kampfauftrag besteht darin, die nicht aus Wahlen hervorgegangene, aber international anerkannte „Übergangsregierung“ an der Macht zu halten.
Der Beschluss des Sicherheitsrates, sich für eine Verstärkung von AMISOM auszusprechen, wurde einstimmig gefasst. Damit setzt das höchste Gremien der Vereinten Nationen seine bisherige Strategie der Unvernunft fort. Die Erfahrungen der letzten zwanzig Jahre zeigen, dass in Somalia nichts kontraproduktiver ist als der Einsatz ausländischer Truppen. Jede Regierung, die sich auf fremde Soldaten stützt, ist dort von Anfang an diskreditiert. Die äthiopische Militärintervention (Dezember 2006 bis Januar 2009) und die Stationierung von AMISOM haben wesentlich dazu beigetragen, dass bewaffnete islamische Fundamentalisten heute die stärkste Kraft des Landes sind.
Außerdem werden die zusätzlichen Soldaten höchstwahrscheinlich aus Uganda kommen, da andere afrikanische Staaten keine Truppen nach Somalia schicken wollen. Das ugandische Militär ist dafür bekannt, dass es sowohl beim jahrelangen Bürgerkrieg im eigenen Land als auch bei seiner Intervention im Kongo schwere Verbrechen wie Mord, Vergewaltigung und Plünderung begangen hat. Das ist auch von der UNO kritisiert worden. In Mogadischu hat sich AMISOM durch den Artilleriebeschuss von Wohngegenden verhasst gemacht. Umso unverständlicher ist der nun gefasste Ratsbeschluss.
Möglicherweise hat dabei die Tatsache eine Rolle gespielt, dass die „Friedenstruppe“ in den vergangenen zwei Monaten militärisch gesehen Erfolge zu verzeichnen hatte. Das von ihr kontrollierte Gebiet in der Hauptstadt konnte beträchtlich ausgedehnt werden. Propagandaminister Abdulkarim Jama behauptete Mitte Dezember, dass jetzt mehr als 55 Prozent Mogadischus und 70 bis 80 Prozent der Stadtbevölkerung unter der Herrschaft der Übergangsregierung stünden.
Die militärischen Rückschläge in Mogadischu haben andererseits die Vereinigung der Fundamentalisten beschleunigt. Am 20. Dezember gab Hisbul Islam ihren Anschluss an Al-Schabab bekannt. Wie weit damit auch eine Beteiligung an der Führung von Al-Schabab verbunden ist, wurde nicht bekannt gegeben. Es wird aber allgemein vermutet, dass es entsprechende Vereinbarungen gibt. Die beiden Organisationen hatten schon bisher meist gemeinsam gegen AMISOM und die Überregierungsregierung gekämpft, während Zusammenstöße zwischen ihnen eher die Ausnahme waren. Al-Schabab ist jetzt die einzige bedeutende Formation der bewaffneten Opposition. Allerdings gibt es scharfe Konflikte in ihrer Führung.
Knut Mellenthin
Junge Welt, 27. Dezember 2010