KNUT MELLENTHIN

Funktionen für die Darstellung

Darstellung:

Seitenpfad

Somalische Übergangsregierung aufgelöst

Somalias Übergangspräsident Abdullahi Jusuf hat am Montag die von Ministerpräsident Ali Mohamed Gedi geführte Regierung für aufgelöst erklärt. Die Regierung habe in den zwei Jahren ihrer Existenz "nichts getan", sagte Jusuf zur Begründung. Nur Gedi soll im Amt bleiben. Er müsste laut Verfassung innerhalb einer Woche ein neues Kabinett präsentieren.

Weder der Präsident noch die aufgelöste Regierung noch das somalische Übergangsparlament sind aus Wahlen hervorgegangen. Sie wurden auf einer Konferenz im benachbarten Kenia vor zwei Jahren eingesetzt und repräsentieren einen Kompromiss zwischen einigen der zerstrittenen somalischen Klans. Allerdings werden die Übergangsinstitutionen von der UNO und von der Afrikanischen Union offiziell anerkannt. Sie residieren in der nahe zur äthiopischen Grenze gelegenen Provinzstadt Baidoa und haben in Somalia wenig reale Bedeutung. Die somalische Hauptstadt Mogadischu und der Süden des Landes wird von der Union der Islamischen Gerichte (UIC), einem Bündnis fundamentalistischer Gruppen, kontrolliert.

Der Auflösung der Baidoa-Regierung war in der vorigen Woche und am Wochenende eine Welle von Rücktritten vorausgegangen. Insgesamt legten rund 50 Minister, Staatssekretäre und Stellvertreter ihre Ämter nieder. Sie protestierten damit gegen die Weigerung Gedis, mit der UIC Verhandlungen über eine politische Verständigung zu führen. Somalia befindet sich seit 1991 im Bürgerkrieg und hat seither keine landesweit anerkannte und funktionierende Zentralregierung mehr. Viele der Zurückgetretenen kritisieren auch, dass Gedi und Jusuf Tausende von äthiopischen Soldaten ins Land geholt haben, um sich auf eine militärische Konfrontation mit der UIC vorzubereiten. Somalia und Äthiopien sind seit Jahrzehnten verfeindet.

Es wird zur inneren Versöhnung Somalias nicht beigetragen haben, dass die jetzt verkündete Regierungsauflösung offenbar auf den Rat oder Druck des Nachbarn hin erfolgte. Der äthiopische Außenminister Sejum Mesfin war am Wochenende nach Baidoa gekommen, um zwischen Präsident Jusuf, Ministerpräsident Gedi und Parlamentssprecher Hassan Adan zu vermitteln. Das Führungstrio Baidoas war sich über die Lösung der Regierungskrise nicht einig gewesen. Laut Agenturmeldungen sollen Jusuf und Adan den Ministerpräsidenten wegen seiner grundsätzlichen Ablehnung von Verhandlungen mit der UIC kritisiert haben.

Nach der Abreise des Äthiopiers verkündete das Trio wieder volle Übereinstimmung. Wie die Frage der Verhandlungen gelöst wurde, gaben sie bisher jedoch nicht bekannt. Gut stehen die Chancen zur Zeit ohnehin nicht, weil die UIC nicht verhandeln will, solange die äthiopischen Soldaten sich im Land befinden. Ein UIC-Sprecher kommentierte die jüngste Entwicklung mit dem Satz: "Die Reise einer äthiopischen Delegation nach Baidoa ist ein weiterer Beweis, dass die Übergangsregierung eine Marionette Äthiopiens ist."

Knut Mellenthin

Junge Welt, 9. August 2006