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Somalias Opposition will sich zusammenschließen
300 bis 400 Vertreter der somalischen Opposition diskutieren seit dem 6. September in der eritreischen Hauptstadt Asmara über die Schaffung einer Dachorganisation mit einer gemeinsamen politischen Plattform. Unter den Teilnehmern der auf zehn Tage angelegten Konferenz sind neben führenden Politikern der fundamentalistischen Union der Islamischen Gerichtshöfe (UIC) auch ehemalige Anhänger der sogenannten Übergangsregierung, Clan-Älteste und Exilpolitiker aus Nordamerika und Europa. Das Motto der Konferenz lautet "Befreien wir Somalia vom Eindringling aus Addis Abeba". Gemeint sind die mehrere tausend Mann starken äthiopischen Besatzungstruppen, die vor allem in der Hauptstadt Mogadischu stationiert sind. Mit ihrer Hilfe hatte die bis dahin in der Provinzstadt Baidoa residierende Übergangsregierung im Dezember vorigen Jahres die Vorherrschaft der UIC gebrochen.
Das Oppositionstreffen, das eigentlich schon eine Woche früher beginnen sollte, ist bewusst als Gegenveranstaltung zu der sechswöchigen "nationalen Versöhnungskonferenz" angelegt, die unter Regie der Übergangsregierung in Mogadischu stattfand und Ende August ohne jedes praktische Ergebnis abgeschlossen wurde. Auffallend ist das Erscheinen offizieller Beobachter der USA, der EU, der UNO, Frankreichs und Israels zur Konferenz in Asmara. Das deutet darauf hin, dass etliche westliche Staaten mit den Ergebnissen ihrer einseitigen Unterstützung der sogenannten Übergangsregierung nicht glücklich sind und nach anderen Optionen Ausschau halten.
Die Teilnehmer des Treffens in Eritrea stellen eine bemerkenswerte Mischung von ganz unterschiedlichen Sektoren der somalischen Gesellschaft dar. Da sind zum einen die islamistischen Politiker. Unter ihnen der Vorsitzende des 90köpfigen UIC-Rats, Scheikh Hassan Dahir Aweys. Er steht als "Terrorist" mit angeblichen al-Kaida-Verbindungen auf der US-amerikanischen Fandungsliste. Nach dem äthiopischen Einmarsch im Dezember 2006 war Aweys untergetaucht und bis zur Asmara-Konferenz nicht mehr öffentlich in Erscheinung getreten. Auf der anderen Seite repräsentieren der frühere Parlamentssprecher Scharif Hassan Scheikh Aden und Ex-Innenminister Hussein Mohamed Farrah Aidid enttäuschte Politiker aus dem Lager der Übergangsregierung. Der in den USA aufgewachsene und ausgebildete Aidid, amerikanischer Staatsbürger und ehemaliger Angehöriger der Marines, galt lange als Top-Mann der USA in Somalia, bis er nach dem Einmarsch der Äthiopier die Seiten wechselte.
Dass die eritreische Regierung nicht nur diese Konferenz beherbergt, sondern auch sonst die somalische Opposition offen unterstützt, hat die ohnehin eiskalten Beziehungen zum Nachbarland Äthiopien noch weiter verschlechtert. Eritrea erlangte 1993 nach einem jahrzehntelangen Befreiungskrieg seine Unabhängigkeit von Äthiopien. Von Mai 1998 bis Juni 2000 führten beide Staaten erneut Krieg gegeneinander. Es bestehen immer noch Grenzprobleme, weil Addis Abeba sich weigert, einen Schiedsspruch des Internationalen Gerichtshofs zu akzeptieren und umzusetzen. Die US-Regierung hat kürzlich, offenbar vor allem mit Blick auf die Unterstützung der UIC, angedroht, Eritrea auf die schwarze Liste der "Terrorstaaten" zu setzen.
Knut Mellenthin
Junge Welt, 13. September 2007