KNUT MELLENTHIN

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Schützengräben auf dem Markt

 

Im somalischen Bürgerkrieg müssen die Islamisten Gebietsverluste hinnehmen

Im Kampf um die somalische Hauptstadt Mogadischu hat die afrikanische „Friedenstruppe“ seit Februar erhebliche Geländegewinne erkämpfen können. Der etwa 9000 Mann starken AMISOM, die aus ugandischen und burundischen Soldaten besteht, gelang es, die militanten Islamisten von Al-Schabab aus mehreren Stadtteilen zurückzudrängen. Nach eigenen Angaben kontrolliert die AMISOM jetzt zusammen mit den Truppen der „Übergangsregierung“ ungefähr 70 Prozent von Mogadischu. Noch vor wenigen Monaten war es nicht einmal die Hälfte.

Zur Zeit konzentrieren sich die Kämpfe auf den Bakaara-Markt, ein riesiges Verkaufsgelände unter freiem Himmel, und die umliegenden Wohnviertel. Der Markt und seine Umgebung gelten seit vielen Jahren als Hochburg der Rebellen. Das Gebiet ist immer wieder heftigem Panzer- und Artilleriefeuer der „Friedenstruppe“ ausgesetzt, dem zahlreiche Bewohner zum Opfer fallen. Bakaara ist neben seiner strategischen Lage für die Islamisten auch wirtschaftlich wichtig, weil von dort Steuern und andere Abgaben an sie fließen.

AMISOM hat in den letzten Wochen zunächst die Hauptverbindungsstraßen zum Markt freigekämpft und gesichert. Inzwischen sind ihre Soldaten von zwei Seiten bis an Bakaara vorgerückt. Der Verkaufsbetrieb ist zum Erliegen gekommen, viele Händler haben die Waren aus ihren Lagerräumen fortgeschafft. Die „Übergangsregierung“ und Al-Schabab geben sich gegenseitig die Schuld an dem Stillstand und den dadurch entstehenden Verlusten. Die Islamisten sollen inzwischen auf dem Marktgelände ein Netz von Schützengräben und Verteidigungsstellungen angelegt haben.

Die derzeitige Wende im Kriegsverlauf ist zum einen auf personelle Verstärkungen und zusätzliche Waffen für AMISOM sowie auf ein offensiveres Mandat zurückzuführen. Ein weiterer Grund liegt nach Einschätzung örtlicher Medien in den hohen Verlusten, die Al-Schabab in früheren Kämpfen erlitten hat. Ihre groß angekündigte Ramadan-Offensive im vorigen Jahr war ein Fehlschlag. Dennoch sind die Rebellen immer noch zu effektiven Stoßtrupp-Unternehmen in der Lage. Die Geländegewinne von AMISOM in den vergangenen Wochen und Monaten bedeuten auch, dass sich ihre Soldaten auf eine immer größere Fläche verteilen, die sich zunehmend schwerer kontrollieren lässt.

Indessen hat der ugandische Präsident Yoweri Museveni, dessen Land mehr als die Hälfte der AMISOM-Soldaten stellt, mit einem Rückzug aus Somalia gedroht. Er will damit auf den seit Monaten geführten Streit zwischen der „Übergangsregierung“ und dem „Übergangsparlament“ Einfluss nehmen. Beide Institutionen wurden vor sieben Jahren unter dem Patronat der UNO eingesetzt und nie durch demokratische Wahlen bestätigt. Ihre Mandate enden im August. Das Parlament hat sich jedoch im Februar eine dreijährige Verlängerung der Amtszeit genehmigt. Gleichzeitig verlangt es aber eine Neuwahl der Regierung und des Präsidenten im August – beides nicht etwa durch die Bevölkerung, sondern durch die Abgeordneten. Museveni unterstützt dagegen die Forderung der Übergangsregierung nach Verlängerung ihrer Amtszeit um ein Jahr.

Knut Mellenthin

Junge Welt, 9. Juni 2011