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Mogadischu in Trümmern, "Übergangsregierung" verkündet Sieg
In der somalischen Hauptstadt Mogadischu waren am Freitag nach neuntägigen Kämpfen kaum noch Schüsse zu hören. Die "Übergangsregierung", die ihre Macht auf Interventionstruppen aus Äthiopien stützt, hat ihren Sieg über die "Aufständischen" verkündet. Der Preis, den die somalische Bevölkerung für diesen fragwürdigen Triumph bezahlen muss, ist hoch. Die Hälfte der Stadt wurde vom äthiopischen Militär durch ungezieltes Panzer- und Artilleriefeuer in Trümmern gelegt. Mindestens 400.000 Menschen sind seit Anfang Februar aus der Hauptstadt geflüchtet , aber derzeit werden nur 60.000 von internationalen Hilfslieferungen erreicht. UNO-Vertreter sagen, dass es nirgendwo auf der Welt, weder im Irak noch im Sudan, im selben Zeitraum so viele Flüchtlinge gegeben hat wie in Somalia. Elend und Zerstörungen, die von der "Übergangsregierung" und ihren äthiopischen Verbündeten in den vergangenen vier Monaten angerichtet wurden, übertreffen alles, was das Land seit Beginn des Bürgerkriegs 1991 erlitten hat.
Am Freitag meldeten die Nachrichtenagenturen, dass äthiopisches Militär die "eroberten" Stadtteile von Mogadischu planmäßig durchkämmt und alle Männer festzunehmen versucht. Gleichzeitig kam es in großem Umfang zu organisierten Plünderungen durch Uniformierte, offenbar Milizsoldaten der "Übergangsregierung". Bereits zuvor hatte die Europäische Union einen Brief ihres Verantwortlichen für Auslandshilfe, Louis Michel, an den somalischen "Übergangspräsidenten" Abdullahi Jusuf veröffentlicht. Michel klagt darin über das Verhalten der Milizsoldaten der "Übergangsregierung" gegenüber den Flüchtlingen. Diese seien "systematischen Plünderungen, räuberischer Nötigung und Vergewaltigung durch uniformierte Trupps" ausgesetzt. UNO-Stellen werfen der "Übergangsregierung" außerdem vor, Hilfslieferungen massiv zu behindern.
Erziehungsminister Ismail Mohamud Hure kommentierte am Donnerstag zynisch, die Zerstörung Mogadischus und das Flüchtlingselend seien "ein angemessener Preis" für die "Rückkehr Somalias zur Normalität". Dass jetzt Normalität eintreten wird, widerspricht allerdings Allen Fakten und Prognosen. Allein die Zahl der Binnenflüchtlinge wird von der UNO auf 1 Million geschätzt. 1,7 Millionen Menschen sind auf Lebensmittel-Lieferungen angewiesen, 2 Millionen auf medizinische Hilfe. In der verwüsteten Hauptstadt sind Tausende an Cholera und Diarrhö erkrankt, 600 Menschen sind bisher daran gestorben.
Das Chatham House, ein außenpolitischer Think-Tank in London, kommt in einer dieser Tage veröffentlichten Studie zur Einschätzung, dass die "Übergangsregierung" die wichtigsten Interessengruppen des Landes, insbesondere seiner Hauptstadt, nicht vertritt und dass sie nicht das Vertrauen der somalischen Bevölkerung hat. Die "Übergangsregierung" isoliere sich zusätzlich durch ihre Abhängigkeit von dem traditionell verfeindeten Nachbarland Äthiopien und durch ihre Ablehnung einer Politik der nationalen Versöhnung. Verglichen mit der jetzigen Situation erscheine die Herrschaft der fundamentalistischen Union der Islamischen Gerichte (UIC) im vorigen Jahren vielen Somalis wie ein "goldenes Zeitalter" persönlicher Sicherheit und sozialer Stabilität. Daher werde es, unabhängig von der kurzfristigen Entwicklung, zu einem Wiedererstarken der UIC kommen, prognostiziert Chatham House.
Knut Mellenthin
Junge Welt, 28. April 2007