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Konflikt noch weiter internationalisiert
Kenia interveniert als vierter afrikanischer Staat im somalischen Bürgerkrieg. Islamisten drohen mit Gegenschlägen.
Kenianische Streitkräfte setzen ihre am Sonntag begonnene Invasion in den Süden Somalias fort. Ihr nächstes Ziel ist nach Angaben eines Militärsprechers die Einnahme von Kismajo. Die Stadt hat einen wirtschaftlich bedeutenden Hafen und wird seit August 2008 von der islamistischen Al-Schabab beherrscht. Die gegenwärtigen Operationen sind der erste größere Auslandseinsatz des kenianischen Militärs seit Erlangung der Unabhängigkeit im Jahre 1963.
Wie viele Soldaten an der Invasion beteiligt sind, wurde bisher nicht offiziell bekannt gegeben. Es soll sich jedoch um mindestens zwei Bataillone, jeweils rund 800 Mann stark, handeln. Im Gegensatz zu Al-Schabab und Allen anderen somalischen Bürgerkriegsparteien verfügen sie über Panzer, Hubschrauber und Kampfflugzeuge. Der kenianische Vormarsch erfolgt bisher in zwei Stoßrichtungen: im Norden in der Region Gedo und weiter südlich in der Region Unter-Juba. Kenianische Truppen, die von verbündeten somalischen Warlord-Milizen unterstützt werden, standen dort am Mittwoch nur noch wenige Kilometer von Afmadow entfernt, das an einem Knotenpunkt strategisch wichtiger Straßen liegt. Mit der Besetzung dieser Stadt hätten die Kenianer die Verbindung zwischen dem weiter südlich gelegenen Kismajo und anderen von Al-Schabab beherrschten Landesteilen weitgehend abgeschnitten.
Nach Äthiopien, dessen Militär immer wieder im Grenzgebiet operiert, sowie Uganda und Burundi, die eine Interventionstruppe namens AMISOM von insgesamt etwa 10.000 Mann in der Hauptstadt Mogadischu stationiert haben, ist Kenia nun das vierte Land, das sich direkt in den somalischen Bürgerkrieg einmischt. Die anscheinend von der Invasion überraschte sogenannte Übergangsregierung hat dieser am Dienstag nach Gesprächen mit einer hochrangigen kenianischen Regierungsdelegation ihren Segen erteilt. Dass die Verhandlungen auf dem von AMISOM stark gesicherten Flughafen von Mogadischu stattfanden, und nicht etwa im Regierungsviertel, kennzeichnet die immer noch prekäre Sicherheitslage in der Hauptstadt. Dort wurden am selben Tag durch die Explosion einer Autobombe in der Nähe des Außenministeriums drei Menschen getötet.
Al-Schabab hat in einer am Montag verbreiteten Erklärung davor gewarnt, dass „die blutigen Schlachten, die aufgrund dieses Einfalls entbrennen werden, das soziale Gleichgewicht zerstören und das Leben von Hunderttausenden Zivilisten gefährden werden“. Zugleich kündigten die Islamisten Anschläge in Kenia an, falls dessen Truppen nicht abgezogen würden. „Wir werden euch den gleichen Schaden zufügen, den ihr uns zufügt.“
Kenia unterstützt schon seit längerer Zeit somalische Warlord-Milizen durch Ausbildung und Ausrüstung. Im April vorigen Jahres wurde auf einer Konferenz in der kenianischen Hauptstadt Nairobi ein „halbautonomer Staat“ Azania-Jubaland proklamiert, der die drei südsomalischen Regionen Gedo, Unter-Juba und Mittel-Juba umfassen soll. Allerdings beherrschen die Führer dieser Phantasie-Republik bisher nur einen kleinen Teil des von ihnen beanspruchten Territoriums.
Knut Mellenthin
Junge Welt, 20. Oktober 2010