KNUT MELLENTHIN

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Islamistische Esel

Kenianische Streitkräfte versenken Fischerboote und bedrohen die somalische Bevölkerung

Drei Wochen nach Beginn ihrer Invasion ins Nachbarland Somalia stecken die kenianischen Streitkräfte im Schlamm der Regenzeit fest. Sie haben noch keines ihrer erklärten Kriegsziele erreicht, sind Überfällen der islamistischen Al-Schabab ausgesetzt – und terrorisieren die Bevölkerung.

Die Marine der Angreifer hat in der vergangenen Woche mindestens zwei Fischerboote versenkt und dabei zahlreiche Menschen getötet. Am Donnerstag gab Kenias Militärsprecher Major Emmanuel Chirchir bekannt, dass am Vortag ein kleines Schiff mit 18 Al-Kaida-Kämpfern an Bord zerstört worden sei, wobei alle Insassen ums Leben gekommen seien. Chirchir, der seine Botschaften gern über Twitter verbreitet, stellte als Beweis Videoaufnahmen des brennenden Schiffes ins Internet. Der Zwischenfall hatte vor Ras Kamboni, dem südlichsten Punkt Somalias, stattgefunden.

Indessen wurde am Freitag durch örtliche Berichte eindeutig klar, dass es sich bei den Angegriffenen um kenianische Fischer gehandelt hatte, die nach einer zehntägigen Fangfahrt auf dem Heimweg gewesen waren. Angeblich hatten sie sich gegenüber einer kenianischen Seepatrouille ordnungsgemäß zu erkennen gegeben und ihnen war die Weiterfahrt gestattet worden, als sie kurz darauf unter Feuer genommen wurden. Zwei oder drei der Fischer konnten an Land schwimmen und wurden zum Verhör nach Mombasa gebracht.

Am Freitag gab es einen weiteren Vorfall dieser Art im selben Seegebiet. Auch dabei soll es sich um Fischer aus Kenia gehandelt haben, während Chirchir erneut von Al-Schabab-Kämpfern sprach. Gleichzeitig teilte der Militärsprecher mit, dass die kenianische Marine seit Beginn des Überfalls auf Somalia eine generelle No-Go-Zone über die Gewässer im Grenzgebiet verhängt habe. Hunderte von Fischern auf beiden Seiten sind nun an der Arbeit zum Lebensunterhalt für sich und ihre Familien gehindert. Bei dem Angriff am Freitag sollen mindestens vier Menschen ums Leben gekommen sein. Major Chirchir forderte die Bevölkerung auf, alle Überlebenden, die sich an Land retten konnten, der Polizei auszuliefern.

Am Sonntag vor einer Woche hatten kenianische Kampfflugzeuge ein Flüchtlingslager im südsomalischen Bezirk Dschilib angegriffen. Anschließend behauptete der Militärsprecher, es seien zehn Al-Schabab-Kämpfer getötet worden und es habe keinerlei zivile Opfer gegeben. Er blieb sogar stur bei seiner Version, nachdem Mitarbeiter der Hilfsorganisation „Ärzte ohne Grenzen“ und des Internationalen Roten Kreuzes berichtet hatten, dass es unter den Flüchtlingen fünf Tote und über 50 Verletzte – überwiegend Kinder und Frauen - gegeben habe.

Anfang voriger Woche verbreitete Major Chirchir über Twitter die Namen von neun somalischen Orten, die mit Angriffen der kenianischen Luftwaffe rechnen müssten. Darunter waren das nordwestlich von Mogadischu gelegene Afgoje und weitere Städte, die mehr als 500 Kilometer von der Grenze Kenias entfernt sind. Später „korrigierte“ der Militärsprecher, dass er nicht die Städte selbst, sondern lediglich die dort befindlichen „Al-Schabab-Lager“ - gemeint sind von den Islamisten betreute Flüchtlingslager – gemeint habe.

Aufgrund dieser Drohung befinden sich nun Tausende Somalis auf der Flucht. Viele transportieren ihre Habe auf Eseln. Jüngster Streich von Major Chirchir: Über Twitter warnte er am Freitag, dass alle Menschengruppen mit mehreren Eseln als „Al-Schabab-Aktivität“ angesehen würden und mit Angriffen rechnen müssten. Somalische Händler rief er auf, keine Esel mehr zu verkaufen.

Knut Mellenthin

Junge Welt, 7. November 2011