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Feindliche Übernahme
Private „Sicherheitsfirmen“ greifen in den somalischen Bürgerkrieg ein
Ein seit Jahren berüchtigtes Söldnerunternehmen will in Somalia Fuß fassen. Auf drängende Nachfragen des Parlaments gab die sogenannte Übergangsregierung (TFG) am Donnerstag voriger Woche zu, dass ein Abkommen mit der „Sicherheitsfirma“ Saracen International besteht. Premier Mohamed Abdullahi Mohamed, der erst seit Oktober 2010 im Amt ist und vorher in den USA lebte, schiebt die Verantwortung auf seinen Vorgänger Omar Abdirashid Ali Sharmarke. Mit der Behauptung, über den Inhalt des Vertrages nicht informiert zu sein, erreichte Mohamed, dass ihm das Parlament vier Wochen Frist zur Klärung des Sachverhalts einräumte.
Die Mehrheit der Abgeordneten hatte zunächst gefordert, das Abkommen mit Saracen International sofort außer Kraft zu setzen, da es ohne Wissen und Zustimmung des Parlaments geschlossen worden sei. Das Gleiche gilt nach Aussagen somalischer Abgeordneter für die Zusammenarbeit der TFG mit mindestens fünf anderen internationalen „Sicherheitsfirmen“. So sei einem dieser Unternehmen namens SKS durch einen Zehnjahresvertrag der Betrieb des Flughafens der Hauptstadt Mogadischu übertragen worden. SKS ist in Dubai (Vereinigte Arabische Emirate) ansässig.
Welche Aufgaben Saracen International in Mogadischu – sehr viel weiter reicht der Herrschaftsbereich der Übergangsregierung gegenwärtig nicht – übernehmen soll, ist bisher nicht sicher bekannt. Nach ersten Informationen geht es unter anderem um die Ausbildung einer Spezialtruppe zur Bewachung des Präsidentenpalastes und um Personenschutz für Politiker und Geschäftsleute.
Bezahlt wird die Tätigkeit der Firma in Somalia angeblich von einer nicht genannten „muslimischen Nation“. Dahinter werden entweder Saudi-Arabien oder die Emirate vermutet. Das wirft Probleme mit der UNO auf, denn die Ausbildung von Militär verstößt gegen das 1992 über das Land am Horn von Afrika verhängte Waffenembargo. Ausnahmen sind nur mit Zustimmung der UNO möglich. Dazu müsste aber der präzise Inhalt des Vertrags zwischen TFG und Saracen International ebenso bekannt sein wie der Geldgeber. Der unbekannte Gönner zahlt im Übrigen auch die Gehälter von zwei US-Amerikanern, die als Spitzenberater für die somalische Übergangsregierung arbeiten: Pierre Prosper, der von 2001 bis 2005 unter George W. Bush für die Befassung mit Kriegsverbrechen zuständig war, und Michael Shanklin, der in den 1990er Jahren stellvertretender Stationschef der CIA in Mogadischu war.
Bereits Anfang Dezember 2010 war offiziell bekannt geworden, dass Saracen International auch für das Regime von Puntland arbeitet. Das Gebiet gehört völkerrechtlich zu Somalia, beansprucht aber seit 1998 eine sehr weitgehende Autonomie, die faktisch einer Eigenstaatlichkeit gleichkommt. Das Unternehmen soll dort 1000 Soldaten ausbilden. Angeblich sollen diese die Piraten bekämpfen, die in Puntland ihre wichtigsten Stützpunkte haben. Ihr tatsächliches Einsatzgebiet sollen jedoch die Galgala-Berge sein, wie Mohamed Farole, ein Sohn des puntländischen Präsidenten, bekannt gab. Dieses Gebiet liegt mindestens 200 Kilometer vom Meer entfernt. Das Regime kämpft dort seit Monaten gegen örtliche Rebellen um die Kontrolle über Mineralvorkommen.
Saracen International wurde in den 1990er Jahren von ehemaligen Militärs und Geheimdienstlern
des südafrikanischen Rassistenregimes gegründet. Inzwischen sind kriminelle Kreise Ugandas um General Salim Saleh, Berater und Halbbruder von Präsident Yoweri Museveni, stark in das Unternehmen involviert. Die Firma war unter anderem maßgeblich an der Ausplünderung kongolesischer Rohstoffe während der ugandischen Militärintervention im Nachbarland (1998-2003) beteiligt.
Knut Mellenthin
Junge Welt, 4. Januar 2011