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Bundeswehr nach Somalia?
Drei Wochen nach der Besetzung Mogadischus durch äthiopische Truppen herrscht in der somalischen Hauptstadt mehr das Chaos als die sogenannte Übergangsregierung. Milizen konkurrierender Warlords haben wieder die Kontrolle über Stadtteile und Straßen übernommen, wo sie Wegezoll eintreiben und Warentransporte plündern. Am Donnerstag meldete die "Übergangsregierung", drei Warlords mit ihren Milizen hätten sich ihr unterstellt und ihre Waffen übergeben. Schon in der vergangenen Woche hatte die "Übergangsregierung" ein Friedensabkommen mit fünf Warlords geschlossen. Es handelt sich um die selben, die im vergangenen Jahr bis zu ihrer Vertreibung durch die UIC (Union der Islamischen Gerichte) Anfang Juni ein Schreckenregiment in Mogadischu ausgeübt hatten. Finanziert und beraten wurden sie vom US-Geheimdienst CIA.
In Wirklichkeit geht es um die alte Frage, wer Pferd ist und wer Reiter. Bis zur massiven Intervention äthiopischer Truppen Mitte Dezember vorigen Jahres hatten die militärischen Einheiten der "Übergangsregierung" kein einziges Gefecht gegen die UIC (Union der Islamischen Gerichte) gewonnen, die damals den größten Teil Somalias kontrollierte. Mit anderen Worten: Die "Übergangsregierung" verfügt über keine nennenswerten eigenen Streitkräfte. Je mehr Warlords sich ihr "unterstellen", umso mehr wächst deren Macht.
Die Herrschaft der "Übergangsregierung" beruht praktisch ausschließlich auf der Präsenz der äthiopischen Besatzungstruppen. Die aber sind bei den meisten Somalis verhasst. Die neu eingesetzte Verwaltung der Provinz Banadir, in der Mogadischu liegt, hat als erstes den schnellen Abzug der Äthiopier gefordert. Fast täglich gibt es bewaffnete Angriffe auf die Besatzungstruppen. Ihre baldige Ersetzung durch eine afrikanische "Stabilisierungstruppe", für die der UNO-Sicherheitsrat schon am 6. Dezember grünes Licht gegeben hatte, ist jedoch nicht in Sicht. Außer Uganda, das 800 bis 1.000 Soldaten zugesagt hat, hat sich noch kein einziger Staat zur Entsendung von Truppen bereit erklärt. Ohnehin dürfte der bisher beschlossene Umfang der "Stabilisierungstruppe" - 8.000 Soldaten - weit hinter den Erfordernissen zurück bleiben: Bei ihrer Mission 1992-95 hatte die UNO 30.000 Soldaten im Einsatz - und scheiterte. Damals stellten die USA das größte Kontingent; die deutsche Bundeswehr war mit 1.700 Soldaten beteiligt.
Der Chef-Außenpolitiker der EU, Javier Solana, hat inzwischen wiederholt den Gedanken einer erweiterten "Friedenstruppe" der Vereinten Nationen ins Gespräch gebracht. Er würde das kaum tun, wenn es nicht schon Diskussionen über eine europäische Beteiligung gäbe. Wie immer hinter verschlossenen Türen, streng geheim. Das Thema betrifft vermutlich auch die Bundeswehr. Und kein Bundestagsabgeordneter fragt mal öffentlich nach?
Knut Mellenthin
Junge Welt, 19. Januar 2007