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Äthiopisches Militär richtet sich auf Verbleib in Somalia ein
Gehen sie oder kommen sie? Der angekündigte Rückzug der äthiopischen Interventionstruppen aus Somalia, der eigentlich schon am Jahresende 2008 abgeschlossen sein sollte, gestaltet sich zögerlich und widersprüchlich. Zwar begannen am Freitag voriger Woche einige Einheiten, die Hauptstadt Mogadischu zu verlassen. Aber schon die Drohung der äthiopischen Regierung am folgenden Tag, „Die erforderlichen Schritte werden unternommen, um ein Vakuum und die Wiederkehr der früheren gesetzlosen Situation zu vermeiden“, deutete darauf hin, dass die Interventen sich Hintertüren offen halten wollen und nach neuen Methoden zur Erhaltung ihres Einflusses im Nachbarland suchen.
Seit dem Wochenende befinden sich äthiopischen Truppen, die laut Meldungen zum Teil neu über die Grenze gebracht wurden, in der südwestsomalischen Region Gedo auf dem Vormarsch. Mittlerweile haben sich die Einheiten der radikal-islamistischen Al-Schabaab, die diese Region kontrollierte, aus den meisten dortigen Städten zurückgezogen. Die Aktionen der Äthiopier haben eine Massenflucht ausgelöst.
Gedo grenzt an die mehrheitlich von Somalis bewohnte äthiopische Provinz Ogaden und war schon seit den 90er Jahren immer wieder Ziel von äthiopischen Militäraktionen. In Gedo befinden sich auch die bewaffneten Banden des Warlords Barre Hirale, die von Al-Schabaab im August 2008 aus der südsomalischen Hafenstadt Kismajo und der umgebenden Region vertrieben wurden. Den Berichten zufolge rüsten die Äthiopier jetzt Hirales Truppen auf, mit dem Ziel der Rückeroberung von Kismajo. Am Dienstag wurde gemeldet, dass Äthiopien auch seine Streitkräfte in der Gedo benachbarten Region Bay verstärkt und offensiv agieren lässt. Dort liegt Baidoa, Sitz des somalischen Parlaments und mehrerer Regierungsinstitutionen.
Äthiopische Einmischung wird auch hinter den scheinbar „inner-islamischen“ Kämpfen in der nordsomalischen Region Galgadud vermutet. Dort bekämpfen sich seit zehn Tagen Al-Schabaab und eine Gruppe namens Ahlu Sunna Waljama’a, die zur Sufi-Strömung des Islam gehört und – im Gegensatz zu Al-Schabaab - in der Region verankert ist. Berichten zufolge wird die militärisch bisher überhaupt nicht aktive religiöse Gruppe, die derzeit die Oberhand hat und inzwischen sogar zum landesweiten Dschihad gegen Al-Schabaab aufgerufen hat, von Äthiopien unterstützt und instrumentalisiert. Mindestens 80.000 Menschen, darunter viele schon einmal Vertriebene aus Mogadischu, sind aufgrund des Kämpfe aus den Städten der Region geflüchtet.
Mittlerweile sind die Islamisten in drei Hauptströmungen zerfallen. Eine Fraktion der Union der Islamischen Gerichtshöfe (UIC) mit Sitz in Dschibuti arbeitet mit der bisher von Äthiopien gestützten Übergangsregierung TFG zusammen. Sie strebt eine Machtteilung und die Bildung gemeinsamer Sicherheitskräfte an. Der andere Flügel der UIC, dessen Zentrale sich im eritreischen Asmara befindet, lehnt Kompromisse mit der TFG ab, so lange sich noch äthiopisches Militär im Land befindet. Jenseits beider Teile der alten UIC steht Al-Schabaab, früher nicht viel mehr als der bewaffnete Arm der UIC, inzwischen eine ganz eigenständige Organisation und die führende Kraft des Widerstands. Spekulationen, dass die drei Gruppierungen militärisch übereinander herfallen könnten, liegen zwar auf der Hand, haben sich aber bisher nicht bewahrheitet.
Knut Mellenthin
Junge Welt, 7. Januar 2009