KNUT MELLENTHIN

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Die heiße Kartoffel

Der Abriss einer Moschee in Norditalien löst einen Streit zwischen rechten Gemeindepolitikern aus. Der frei gewordene Platz soll nach der Moslem-Hasserin Oriana Fallaci benannt werden.

Mit Triumphgeschrei reagierte die internationale antimoslemische Szene in der vorigen Woche auf die Zerstörung eines islamischen Gebetshauses im norditalienischen Oppeano (Provinz Verona). Der Bürgermeister der 8000-Einwohner-Gemeinde, der 35jährige Alessandro Montagnoli von der rechtsgerichteten Lega Nord, hatte nach einem jahrelangen Streit den Abbruch angeordnet. Angeblich sei das Gotteshaus vor zehn Jahren illegal errichtet worden. Außerdem seien die Nachbarn an moslemischen Feiertagen durch parkende Autos und Lärm gestört worden. „Meine Bürger wollen diese Einrichtung nicht“, erklärte Montagnoli, der seit April die Lega Nord auch im italienischen Parlament vertritt, den Medien.

Dort, wo bisher das Gebetshaus stand, soll ein öffentlicher Platz mit Parkflächen und einer Grünanlage entstehen. Die Piazza soll den Namen von Oriana Fallaci, der im September 2006 in ihrer Heimatstadt Florenz verstorbenen fanatischen Moslem-Hasserin, tragen. Diese Verneigung vor der großen alten Dame des italienischen Antimoslemismus hat einen tieferen Sinn: Ein Vierteljahr vor ihrem Tod hatte sie gegenüber dem Magazin The New Yorker gegen den geplanten Bau einer Moschee im toskanischen Colle di Val d’Elsa (Provinz Siena) gewütet: Falls sie dann noch leben sollte, werde sie sich bei ihren „anarchistischen Freunden“ in Carrara, der Stadt der Marmor-Steinbrüche, Sprengstoff besorgen und die Moschee in die Luft jagen. Eingebettet war dieser Hassausbruch in giftige Bemerkungen über die Moslems, „die auf unsere Kosten leben“ und „überall ihre verdammten Moscheen bauen wollen“. (The New Yorker, 5. Juni 2006)

Ganz kurz nur rebellierte der Vizebürgermeister von Oppeano, der gleichfalls zur Lega Nord gehörende 41jährige Religionslehrer Giuliano Boaretto, gegen die Absicht seines Chefs: Über diese Namensgebung sei in der Gemeindeverwaltung nie gesprochen worden. Sie könne als Provokation erscheinen, und man müsse den Glauben anderer respektieren. Nicht wirklich überzeugend schlug er vor, die geplante Piazza stattdessen nach dem verstorbenen Papst Johannes Paul II zu benennen. Zwei Tage später war der Vize auf Linie: Der Platz soll tatsächlich nach Oriana Fallaci heißen, und dafür wird künftig die Grundschule des Ortes den Papstnamen tragen.

Unterdessen sind die Moslems von Oppeano und Umgebung auf der Suche nach einem neuen religiösen Zentrum. Die Meldung, sie würden in der Nachbargemeinde Bovolone Asyl finden, erwies sich als Ente. Der dortige Bürgermeister Osvaldo Richelli, der mit dem Berlusconi-Block zusammenarbeitet, warf seinem Kollegen in Oppeano vor, er wolle die „heiße Kartoffel“ – gemeint sind die Moslems – „an seinen Nachbarn weiterreichen, der, wie er sehr wohl weiß, nicht bereit ist, sie auf seinem Territorium aufzunehmen“. Sein Vize Costantino Turrini von der postfaschistischen Alleanza Nazionale fordert die Einschaltung der Provinzverwaltung in Verona in den Streit.

Es handelt sich nicht um den ersten Vorfall dieser Art. In Treviso, Hauptstadt der gleichnamigen Provinz im nordostitalienischen Veneto, stemmte sich der Lega-nahe Bürgermeister Giancarlo Gentilini jahrelang erfolgreich gegen die Einrichtung eines moslemischen Gebetshauses, indem er alle potentiellen Vermieter unter Druck setzte. Als schließlich die westlich von Treviso gelegene Gemeinde Paese einen öffentlichen Raum zur Verfügung stellte, reagierten die Lega Nord und die neofaschistische Forza Nuova mit einer massiven Protestkampagne. In Bologna, Padua und Lodi führten Lega-Mitglieder Schweine über Flächen, die für Moschebauten vorgesehen waren, um diese rituell zu verunreinigen oder, wie sie selbst zynisch sagten, „zu segnen“. Erfinder dieser wahrhaft schweinischen Aktionsform ist Roberto Calderoli von der Lega Nord, der vom Juli 2004 bis Februar 2006 und seit Mai erneut der Regierung Berlusconi angehört(e) . In Bologna konnte er tatsächlich den Bau der Moschee stoppen. Anschließend schlug er einen landesweiten „Tag der Schweine“ vor.

Knut Mellenthin

Junge Welt, 23. Mai 2008