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Wieder US-Angriff gegen Pakistan. Parlament unterwirft sich den USA.
Wenige Stunden, nachdem das pakistanische Parlament einstimmig eine von der US-Regierung erzwungene “Anti-Terror”-Resolution angenommen hatte, gab es einen weiteren US-amerikanischen Militärschlag gegen pakistanisches Gebiet. Ersten örtlichen Berichten zufolge schoss ein unbemanntes Flugzeug mehrere Raketen auf eine Madrassah, eine religiöse Schule, bei Miranschah in Nordwasiristan ab. Mindestens zehn Menschen, alles Schüler zwischen 13 und 18 Jahren, wurden getötet. Weitere wurden zum Teil schwer verletzt.
Es war das 14. Angriff dieser Art in nur zwei Monaten. Die US-Regierung hat die Zahl der Militärschläge drastisch gesteigert, seit Präsidentengeneral Pervez Muscharraf, der sich 1999 an die Macht geputscht hatte, Anfang August zurücktreten musste. Im ganzen Jahr 2007 hatte es lediglich drei solcher Angriffe gegeben. Alle Militärschläge im laufenden Jahr – nunmehr schon 21 – richteten sich gegen die Bezirke Nord- und Südwasiristan in den sogenannten Stammesgebieten (FATA). Dort halten sich, im Gegensatz zu anderen Teilen der nordwestlichen Grenzregion, immer noch beide Seiten an einen im Februar stillschweigend geschlossenen Waffenstillstand. Ziel der amerikanischen Angriffe ist offenbar, auch dort einen Bruch zu provozieren. Die jüngste Aktion zeigt die Verachtung der US-Regierung für das Parlament in Islamabad und dessen hilfloses Bekenntnis zur „Verteidigung der Souveränität Pakistans“.
Im Wesentlichen haben Weißes Haus und Pentagon mit dieser in 14 Punkten gefassten Entschließung bekommen, was sie wollten. Vorausgegangen war eine zwei Wochen lange gemeinsame Sitzung beider Häuser des pakistanischen Parlaments, die am 8. Oktober mit Vorträgen führender Militärs und Regierungspolitiker begonnen hatte. Die letzten beiden Tagen waren mit dem Gefeilsche in einem 16köpfigen Allparteien-Ausschuss um jedes Wort der Schlussresolution vergangen.
Der Auftrag, den die US-Regierung ihren Satrapen in Islamabad erteilt hatte, lautete: vor allem Einstimmigkeit! Gewünscht war eine Demonstration für die amerikanische und internationale Öffentlichkeit, dass Pakistans politische Kräfte sich den „Krieg gegen den Terror“, einschließlich des Bürgerkriegs in den Stammesgebieten, zu eigen machen und ihn geschlossen unterstützen. Das Parlament fügte sich, bis zum letzten Abgeordneten und Senator. So wurde die Resolution zum jämmerlichen, enttäuschenden Abschluss einer Debatte, in der deutlich geworden war, dass die Probleme in Wirklichkeit sehr kontrovers bewertet werden und dass Politiker fast aller Parteien das militärische Vorgehen in den Stammesgebieten für kontraproduktiv halten.
An erster Stelle der Resolution steht nun die „große Sorge, dass Extremismus, Militanz und Terrorismus in Allen Formen eine schwere Gefahr für die Stabilität und Integrität von Nation und Staat darstellen“. Gegen diese Gefahr müsse die Nation „vereint zusammenstehen“. Politische Gespräche dürfe es nur mit Kräften geben, die bereit seien, sich „der Verfassung Pakistans und der Herrschaft des Gesetzes zu unterwerfen“. Der Regierung wurde zugleich der Auftrag erteilt, „alle ausländischen Kämpfer von unserem Boden zu vertreiben“. Das ist angesichts der großen Zahl von insbesondere afghanischen Flüchtlingen und der entstandenen sozialen Verflechtungen eine kaum zu lösende Aufgabe, die jedenfalls umfassenden Einsatz militärischer Gewalt voraussetzt.
Noch am Dienstag hatte Nawaz Scharif, Chef der zweitstärksten Partei im Parlament, der PML-N, ganz andere Töne angeschlagen. Bei einem Treffen mit dem Unterstaatssekretär im US-Außenministerium, Richard Boucher, hatte der zweimalige Premierminister erklärt, dass das „Terrorismus“-Problem nicht durch Gewaltanwendung und Militäroperationen zu lösen sei, sondern nur durch friedliche Verhandlungen, in die möglichst alle Kräfte einbezogen werden müssten.
Knut Mellenthin
Junge Welt, 24. Oktober 2008