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Untersuchung gefordert
Die pakistanische Opposition fordert, alle Aspekte der angeblichen Tötung Bin Ladens durch unabhängige Juristen untersuchen zu lassen. Sie kontert damit die Ankündigung von Premierminister Yousuf Raza Gilani, dass eine Militärkommission sich mit der Frage befassen soll, „wie, wann und warum“ Bin Laden sich in der Garnisonsstadt Abbottabad versteckt halten konnte. Der Regierungschef erläuterte bisher nicht, in welchem Zeitrahmen die von einem Generalleutnant geleitete Kommission arbeiten soll und ob vorgesehen ist, ihre Ergebnisse öffentlich bekannt zu geben.
Dagegen sieht der am Mittwoch von Oppositionsführer Nawaz Sharif präsentierte Aktionsplan vor, dass der Ausschuss seinen vollständigen Bericht über die US-Operation in innerhalb von 21 Tagen vorlegen soll. Das Gremium soll aus den höchsten Richtern der vier Provinzen des Landes bestehen und vom Vorsitzenden des Obersten Gerichtshofs geleitet werden. Der Bericht soll neben den Umständen des Aufenthalts von Bin Laden in Pakistan auch klären, warum es keine militärische Reaktion auf das Eindringen der vier US-amerikanischen Hubschrauber in den Luftraum des Landes und auf das vierzigminütige Agieren des Killerkommandos gab. Außerdem will Nawaz Sharif, Chef der bedeutendsten Oppositionspartei Moslemliga-N (PML-N) und populärster Politiker Pakistans, auch die zahlreichen Angriffe US-amerikanischer Drohnen gegen pakistanische Ziele zum Gegenstand der Untersuchung machen.
Bei der Ankündigung dieses Aktionsplans am Mittwoch räumte Sharif der Regierung drei Tage für eine Antwort ein. Anderenfalls werde seine Partei selbstständig aktiv werden. Auch die Muttahida-Qaumi-Bewegung (MQM), die der Regierungskoalition angehört, sprach sich für eine unabhängige und umfassende Untersuchung aus. Die liberal-sekuläre Partei hat ihren Schwerpunkt in der Provinz Sindh und besonders in deren Hauptstadt, Karachi.
Nachdem Gilani am Montag eine enttäuschende Rede im Abgeordnetenhaus hielt, die kaum auf die Fragen einging, die derzeit die pakistanische Öffentlichkeit beunruhigen, soll das Parlament am heutigen Freitag in nicht-öffentlicher gemeinsamer Sitzung – Abgeordnetenhaus und Senat - über Einzelheiten der Operation in Abbottabad und des völligen Versagens der militärischer Abwehrmechanismen informiert werden.
Mindestens sieben Menschen wurden am Donnerstag in den sogenannten Stammesgebieten Pakistans durch eine US-amerikanische Drohne getötet. Der unbemannte Flugkörper feuerte zwei Raketen auf ein Fahrzeug ab, das sich auf einer Straße im Gebiet von Datta Khel (Nordwasiristan) bewegte. Es war die dritte derartige Aktion seit der angeblichen Tötung Bin Ladens am Montag voriger Woche. Am vergangenen Freitag wurden, ebenfalls in Nordwasiristan, 15 oder sogar 17 Menschen getötet, als Drohnen acht Raketen auf ein Fahrzeug abschossen. Es gab mehrere unbteiligte Opfer, darunter mindestens einen Toten, in einem an der Straße gelegenen Restaurant. Am Dienstag dieser Woche kamen vier Menschen bei einem Angriff auf das Dorf Angoor Adda in Südwasiristan ums Leben. Barack Obama hat seit Januar 2009 mehr als dreimal soviele Drohnenangriffe gegen Pakistan fliegen lassen wie sein Vorgänger George W. Bush in seiner ganzen achtjährigen Amtszeit.
Knut Mellenthin
Junge Welt, 13. Mai 2011