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Politiker in Verlegenheit
Pakistanische Taliban benennen Oppositionsführer Khan ungefragt als ihren Vertreter für Friedensverhandlungen mit der Regierung.
Die pakistanischen Taliban haben das Verhandlungsangebot von Premier Nawaz Scharif angenommen. Der Führer der konservativen Muslim-Liga (PML-N), der seit Juni 2013 an der Spitze der Regierung steht, hatte am Mittwoch die Bildung eines vierköpfigen Ausschusses bekannt gegeben, der Kontakte anbahnen und dann auch die Gespräche mit den Aufständischen führen soll.
Die Taliban reagierten am Sonnabend mit der Benennung von fünf Personen. In der ersten Erklärung hieß es, dass diese als „Mediatoren“, also eine Art Vermittler und Schlichter, wirken sollten. Später sagte Taliban-Sprecher Shahidullah Shahid gegenüber pakistanischen Medien, dass die fünfköpfige Gruppe die Taliban in den Verhandlungen „repräsentieren“ solle.
Das bringt vor allem Oppositionsführer Imran Khan, den Chef der PTI, in Schwierigkeiten. Der als ehemaliger Kapitän des nationalen Kricket-Teams immer noch sehr populäre Khan hat die Forderung nach einer Beendigung des Kriegs mit den Taliban durch Verständigung und Versöhnung zu einem Zentrum seiner Agitation gemacht. Die Mehrheit der anderen Politiker greift ihn deswegen immer wieder scharf an. Für den 61jährigen Paschtunen, der den Taliban inhaltlich keineswegs nahesteht, sondern sich im Gegenteil für die Gleichstellung der Frauen und für eine Verbesserung der Schulbildung von Mädchen und Jungen einsetzt, ist seine offenbar nicht abgesprochene Nominierung durch die Islamisten kompromittierend. In einer ersten Reaktion versicherte Khan, er vertraue dem von Scharif ernannten Ausschuss vollständig. Zugleich rief er die Taliban auf, eine Verhandlungsgruppe aus ihren eigenen Reihen zu bilden.
Neben Khan haben die Aufständischen vier sunnitische Kleriker für die Verhandlungen nominiert. Drei von ihnen sind Vertreter der in Pakistan politisch nicht sehr einflussreichen islamistischen Parteien. Alle vier sympathisieren mehr oder weniger mit den Zielen der Taliban, ohne sich aber mit ihnen zu identifizieren. So hat beispielsweise der bekannteste von ihnen, Samiul Haq, im Dezember 2013 eine Fatwa veröffentlicht, mit der er sich für die Impfkampagne gegen Kinderlähmung aussprach. Pakistan ist eines der ganz wenigen Länder, wo diese Krankheit immer noch in erheblichem Umfang auftritt. Die Taliban haben zahlreiche Mordanschläge gegen das an diesen Impfungen beteiligte Personal verübt. Er warte mit seiner Entscheidung, ob er die Benennung annimmt, noch ab, „bis die Dinge klarer werden“, sagte Haq jetzt. Ein anderer der von den Rebellen nominierten Geistlichen erklärte, dass er nur zur Rolle eines Vermittlers bereit sei.
Regierungschef Scharif will in Kürze auch eine weitere Verhandlungsgruppe bilden lassen, die sich um die politische Lösung eines anderen bewaffneten Konflikts bemühen soll, wie er am Donnerstag bei einem Treffen mit ranghohen Militärs bekanntgab. Es geht dabei um die an Afghanistan und den Iran angrenzende Provinz Belutschistan im Südwesten des Landes. Sie ist die flächenmäßig größte, zugleich aber am geringsten besiedelte Provinz Pakistans. Konfliktgegner der Sicherheitskräfte sind dort zahlreiche zersplitterte militante Gruppen, die in der Regel als „Separatisten“ bezeichnet werden. Den meisten geht es aber nicht um die Bildung eines eigenes Staates, sondern um einen größeren Anteil an der Vermarktung des Erdgases, das dort gefördert wird, und um Investitionen in die Entwicklung ihrer Provinz.
Tausende Belutschen sind im Lauf dieses seit Jahrzehnten geführten Krieges „verschwunden“, was real heißt: Sie wurden von Sicherheitskräften verschleppt, ermordet – oft nach vorausgegangenen Folterungen – und heimlich verscharrt. In der vergangenen Woche wurde wieder einmal ein Massengrab mit 25 Leichen entdeckt. Auf der anderen Seite gab es am Freitag einen Bombenanschlag, bei dem drei Soldaten des Grenzkorps getötet wurden.
Knut Mellenthin
Junge Welt, 3. Februar 2014