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Pakistan behindert Spionagetätigkeit
Mutmaßliche BND-Agenten ausgewiesen. Deutsche Regierung protestiert.
Drei Deutsche, die am Sonnabend in Pakistan festgenommen worden waren, sollen inzwischen in die Bundesrepublik zurückgekehrt sein. Nach Angaben pakistanischer Stellen waren sie für den Auslandsgeheimdienst BND tätig gewesen. Bei einem von ihnen soll es sich um einen Bundeswehroffizier gehandelt haben. Sein Rang wird in der pakistanische Presse mit Colonel (Oberst), sein Name mit Curtain oder Christine (Christian?) Wild angegeben.
Aus den bisherigen Berichten ergibt sich, dass die drei Personen, darunter eine Frau, ein Büro in der Universitätsstadt von Peschawar betrieben hatten. In diesem Viertel haben viele ausländische Vertretungen und Hilfsorganisationen ihren Sitz. Peschawar ist die Hauptstadt der früheren Nordwest-Grenzprovinz, die im Jahre 2010 in Khyber Pakhtunkhwa umbenannt wurde. Sie liegt in der Nähe der sogenannten Stammesgebiete, wo sich die Hauptstützpunkte der pakistanischen Taliban befinden. Die Stadt ist seit langem ein Zentrum internationaler geheimdienstlicher Aktivitäten. Deutsche Medien berichten, dass der BND dort schon seit 30 Jahren arbeitet. Damals unterstützte der Dienst die afghanischen Islamisten in ihrem „Freiheitskampf“ gegen die Sowjetunion.
Was den drei Deutschen formal vorgeworfen wurde, geht aus den pakistanischen Medien nicht eindeutig hervor. Zum einen soll es darum gegangen sein, dass für den Betrieb des Büros nicht die erforderliche Genehmigung der örtlichen Behörden vorlag. Ob die drei selbst sich legal oder illegal in Peschawar aufhielten, wird unterschiedlich berichtet. Seit vor einem Jahr ein CIA-Agent in der Stadt Lahore zwei Männer erschoss, ist Pakistan dazu übergegangen, die Aktivitäten der Ausländer im Land stärker zu kontrollieren und zu beschränken. Bis dahin war es üblich gewesen, dass ausländische Agenten frei im ganzen Land herumreisten, „Informationen“ sammelten, an sicherheitsrelevanten Objekten fotografierten und filmten, und unter anderem auch Kontakte zu den einheimischen Taliban unterhielten.
Auch die drei jetzt abgeschobenen Deutschen sollen monatelang bei „verdächtigen Aktivitäten“ an verschiedenen Orten observiert worden sein, bevor die pakistanischen Behörden schließlich zugriffen. Ihnen wird außerdem vorgeworfen, sie hätten eine „Schlüsselrolle“ bei der „Schädigung des Ansehens Pakistans“ vor und nach der Bonner Afghanistan-Konferenz vom 5. Dezember gespielt. Die Regierung in Islamabad hatte diese Veranstaltung aus Protest gegen die Tötung von 24 pakistanischen Soldaten bei US-amerikanischen Luftangriffen am 26. November boykottiert.
Bei ihrer kurzzeitigen Festnahme am Sonnabend sollen sich die mutmaßlichen BND-Agenten als Mitarbeiter der staatlichen Entwicklungshilfe-Organisation Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) ausgegeben haben. Auch ihr Fahrzeug soll auf die GIZ angemeldet gewesen sein.
Vermutlich noch in Haft befinden sich vier Pakistanis. Sie hatten für die Deutschen gearbeitet, zwei von ihnen als Leibwächter. Auch dafür hätte es einer amtlichen Genehmigung bedurft, die jedoch angeblich nicht vorlag.
Die Bundesregierung zog es vor, zum Angriff überzugehen, indem sie am Montag den pakistanischen Botschafter „einbestellte“ und gegen die Schließung des Büros in Peschawar „protestierte“. Zur Tätigkeit der drei Deutschen gibt es bisher keinen offiziellen Kommentar.
Knut Mellenthin
Junge Welt, 25. Januar 2012