KNUT MELLENTHIN

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Opposition fällt um

Pakistans Parlament verabschiedet wachsweiche Empfehlungen für Verbesserung der Beziehungen zu den USA.

Das pakistanische Parlament hat am Donnerstag den Weg zur Wiederaufnahme der Nachschubtransporte für den NATO-Krieg in Afghanistan freigegeben. Der Transit vom Hafen Karatschi zu den Grenzübergängen Torkham und Chaman ist seit dem 26. November vorigen Jahres unterbrochen. Die Regierung in Islamabad reagierte damit auf US-amerikanische Luftangriffe gegen zwei pakistanische Stellungen, bei denen 24 Soldaten getötet worden waren. Die USA bezeichneten den Zwischenfall als Folge von Missverständnissen und Fehlern, verweigern aber bis heute eine Entschuldigung. Über praktische Einzelheiten der Nachschubtransporte, wie etwa deren finanzielle Abgütung, muss nun zwischen Washington und Islamabad verhandelt werden. Ein Zeitpunkt für die Wiederaufnahme steht noch nicht fest.

Die pakistanische Regierung hatte am 30. November 2011 den Sicherheitsausschuss des Parlaments (PCNS) beauftragt, Empfehlungen für eine umfassende Neugestaltung der Beziehungen zu den USA auszuarbeiten. Über diese sollte anschließend in einer gemeinsamen Sitzung von Abgeordnetenhaus und Senat entschieden werden.

Obwohl der Ausschuss, dem Mitglieder aller Parteien angehören, seinen Entwurf nach eigener Darstellung schon am 11. Januar fertiggestellt hatte, präsentierte er aus nicht erklärten Gründen das 16-Punkte-Paket erst am 20. März dem Parlament. Das Papier stieß auf heftigen Widerspruch der Oppositionsparteien. Auch deren bedeutendste, die PML-N, übte plötzlich Kritik, obwohl ihre beiden Vertreter im PCNS dem Dokument zuvor zugestimmt hatten. Eine zentrale Forderung der Opposition war, die Wiederaufnahme der Nachschubtransporte von einem Verzicht der USA auf ihre Drohnenangriffe gegen Ziele in Nordwestpakistan abhängig zu machen. Die Parteien vereinbarten daraufhin eine Überarbeitung des Entwurfs im Sicherheitsausschuss. Dabei wurde unter anderem explizit ein Junktim zwischen NATO-Transit und Drohnenangriffen versprochen.

Der neue Entwurf lag am Donnerstag dem Parlament vor, das ihn in einer gemeinsamen Sitzung beider Häuser einstimmig billigte. Von dem Junktim ist nun allerdings nicht mehr die Rede. Überhaupt sind die Änderungen gegenüber der ersten Vorlage, die im März abgelehnt worden war, nur geringfügig. Genau wie diese besteht das jetzt verabschiedete Paket lediglich aus unverbindlichen Wünschen und stellt für die Verbesserungen der Beziehungen zu den USA nicht eine einzige definitive Bedingung.

Was den Nachschub für den Afghanistankrieg angeht, haben sich die Parteien mit einem Trick geholfen. In den Empfehlungen steht nun: „Pakistanisches Territorium einschließlich seines Luftraums darf nicht für den Transport von Waffen und Munition nach Afghanistan benutzt werden.“ Tatsächlich hat die NATO diese sogenannten „letalen“ (tödlichen) Teile des Nachschubs schon in der Vergangenheit direkt nach Afghanistan eingeflogen. Durch Pakistan wurden nur „nicht-letale“ Güter, hauptsächlich Treibstoff, aber unter anderem auch Medikamente und Lebensmittel, für die NATO-Truppen transportiert.

Noch bis vor wenigen Tagen hatte vor allem die islamistisch-fundamentalistische Partei JUI-F wortradikal jede Zustimmung zur Wiederaufnahme des Transits abgelehnt und für diesen Fall sogar militante Widerstandsaktionen angedroht. Allerdings unterhält Parteichef Maulana Fazlur Rehman, wie man aus veröffentlichten internen Depeschen weiß, erstaunlich gute Beziehungen zur amerikanischen Botschaft.

Durch den jetzt praktizierten Trick sind aus den Empfehlungen des PCNS die Bedingungen vollständig fortgefallen, an die der Ausschuss in seinem ersten Entwurf die Wiederaufnahme des NATO-Nachschubs knüpfen wollte. Dort war verlangt worden, die Rahmenbedingungen des Transits umfassend zu überprüfen, Steuern und Gebühren für die Transporte zu erheben und diese zu 50 Prozent auf die Schienenwege zu verlagern, um die pakistanischen Bahnen besser auszulasten.

Das gesamte Problem des nicht-letalen Nachschubtransits kommt in der vom Parlament einstimmig beschlossenen Fassung der Empfehlungen nicht mehr vor. Damit ist die Kuh vom Eis. Die Regierung hat freie Hand für die Verhandlungen mit den Amerikanern. Und die Oppositionsparteien können ihre Klientel mit scharfer, aber garantiert folgenloser Kritik am Verhalten der Regierung bedienen.

Knut Mellenthin

Junge Welt, 14. April 2012